157 - Der Tod von Baikonur
Angehörige der Lonkin-Familie in Leningrad unsterblich blamiert hatten, als die Verwandlung überraschend und zwangsweise am hellen Tag einsetzte; man hatte sie eingefangen und in den Zoo gesperrt. Der magische Zustand hatte ausgerechnet dort mehrere Tage gedauert und hätte fast zur Katastrophe für die beiden Lonkins geführt. Aber Stjepan verdrängte die Gedanken daran. Es hatte unzählige ähnlicher Vorfälle in den letzten Monaten gegeben. Stjepan hatte nachgedacht. Und er hatte überlegt, ob es nicht eine Möglichkeit gab, an diesen Kometen heranzukommen. Mit einer Rakete vielleicht, mit einem Raumschiff…
Zwei VEGA-Sonden waren seit längerer Zeit unterwegs. Aber Stjepan witterte mehr hinter den hektischen Aktivitäten in Baikonur und anderswo. Er hegte den Verdacht, daß in Baikonur eine bemannte Rakete startbereit gemacht wurde. Er kannte doch seine Landsleute und deren Geltungssucht in Sachen technische Vormachtstellung: Welch ein Triumph für Mütterchen Rußland würde es doch sein, wenn die Amerikanis auf der Erde blieben, die Sowjets aber nicht nur zwei Sonden hochschickten, sondern ein komplettes Raumschiff, dessen Insassen den Kometen aus der Nähe untersuchten! Niemand konnte sagen, ob die Sonden wirklich in der Lage waren, all das zu erfassen, was sich in dem Kometen verbarg und von Interesse war.
Mit so einem Raumschiff, das sich Halleys Komet näherte, ließ sich eine Menge anstellen. Zakum, der die Geschichte der Schwarzen Familie führte, seit Luguri sich der Ausstrahlung des Kometen wegen weitestgehend zurückgezogen hatte, würde brennend daran interessiert sein.
Deshalb hatte Stjepan einen verschwindend geringen Prozentsatz seiner Sippe herbeigerufen, nachdem Wassil und Stana herausgefunden hatten, daß in Baikonur tatsächlich ein Raumschiff startbereit gemacht wurde. Und noch dazu ein nicht gerade kleines. Das Ding war schon eine halbe Station, eine Großtat technischen Könnens. Allein das würde Mütterchen Rußland schon ein unerhörtes Prestige verschaffen. Oh, Stjepan kannte seine Landsleute, die Sterblichen, sehr gut!
Zu dreizehn waren sie, als sie Zakum in einer Beschwörung riefen. Sie bildeten einen Kreis, der von Stjepan beherrscht wurde. Zum Teil hatten sie ihre Wolfsgestalten angenommen oder waren nur wolfsähnlich, zum Teil waren sie menschlich geblieben, je nachdem, wieviel Kraft sie aufbringen mußten, um ihr Scherflein zu Zakums Beschwörung beizutragen.
Nach einer nicht meßbaren Zeitspanne wehte ein kalter Hauch durch das große Zimmer, in dem die Werwölfe sich zusammengefunden hatten. In der großen gläsernen Kugel, die genau in der Mitte des Kreises schwebte, zeigten sich graue Schleier. Stjepan grinste. Zakum zeigte Interesse, er kam! Aber er kam nicht aus der Kugel.
Er öffnete ganz einfach die Tür und trat ein, ein mittelgroßer Dämon mit faltiger grauer Haut, klapperdürr, spinnenfingrig und häßlich wie der Teufel selbst. Er wurde von einem grauen, großen Umhang umweht, dessen Enden zuweilen wie die Flughäute einer Fledermaus flappten.
Zakum lachte meckernd.
„Narren, die ihr seid", sagte er. „So leicht kann man euch überraschen… was wäre, wenn an meiner Stelle ein Dämonenjäger aufgetaucht wäre?"
„Was für ein Dämonenjäger?"
„Es gibt zum Beispiel einen beim KGB, ihr Tölpel", kicherte Zakum. „Habt ihr noch nie von ihm gehört?"
Er wartete die Antwort nicht ab. „Weshalb habt ihr mich hierher gerufen? Es ist ein weiter Weg, und ihr solltet dieses Land überdachen und heizen. Es ist kalt." Er trat in den Kreis, machte eine Handbewegung, und eine Spitze des Umhangs berührte die Glaskugel. Sie zeigte bis zu diesem Moment ein Ebenbild Zakums. Jetzt aber zersplitterte sie.
„Es gibt eine Möglichkeit, den Halleyschen Kometen zu erreichen", sagte Stjepan. „Wir dachten, daß dich das interessiert."
Der dunkle Archivar spitzte die Ohren.
„Der Komet, sagst du? Erreichen? Du siehst mich gespannt."
„In Baikonur wird eine Rakete startklar gemacht, die Kosmonauten zum Kometen bringen soll.
Doch wozu? Warum nicht welche von uns?"
„Weil ihr Werwölfe seid und keine Kosmonauten", sagte Zakum spöttisch.
„Dem läßt sich abhelfen, Zakum. Was hältst du davon, wenn wir die Rakete in unseren Besitz kriegen?"
„Der Komet wird euch ganz schön zu schaffen machen", sagte Zakum.
„Vielleicht, vielleicht auch nicht."
„Aber man könnte ihn unter Umständen… zerstören", fuhr Zakum fort. „Ja, das ist eine gute Idee. Dann ist
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