1571 - Der fliegende Tod
John«, sagte Harry.
Ich teilte sein Gefühl. Aber wir hatten Glück und erhielten Hilfe vor einer ganz anderen Seite.
Fatima Herzog meldete sich mit schwacher Stimme.
»Er hat meine Tochter Mary, der Krankenschwester, übergeben. Sie sollte schon vorfahren.«
»Und wohin?«, fragte Dagmar.
»Er hat von einer alten Kapelle gesprochen, die längst vergessen ist.«
»Wo befindet sie sich?«
»Das weiß ich nicht.«
»Wo?«, schrie Harry Stahl dem Arzt ins Ohr. »Wo, zum Teufel, befindet sich die Kapelle?«
»Nicht hier.«
»Du wirst es uns sagen, sonst…«
Der Arzt lachte. »Ich sage nichts, gar nichts. Ihr könnt mir nichts anhaben. Ich habe alles getan, was getan werden musste. Nichts kann das Wunder mehr aufhalten.«
Frank Herzog stand vom Bettrand auf. Eine kurze Drehung, dann kam er auf uns zu. Der Ausdruck in seinem Gesicht war schlecht zu beschreiben. Er zeigte eine wahnsinnige Entschlossenheit, die bis zum Tötungswillen ging.
Das spürte auch der Arzt, der noch immer von Harry festgehalten wurde.
Erst jetzt sah ich, dass Herzog die Spritze an sich genommen hatte. Sie war beim Aufprall nicht zerbrochen. Der Inhalt war noch vollständig vorhanden.
»Wenn du jetzt nichts sagst, Klaus, dann ramme ich dir das Ding in die Kehle. Dann wirst du elendig krepieren. Und du wirst nichts mehr haben von einer Zukunft, wie du sie dir vorgestellt hast. Du wirst meine Tochter nicht mehr sehen und auch nicht den verdammten Monstervogel. Es ist aus!«
Wir hatten nicht eingegriffen, warteten ab. Ich ließ Herzog näher kommen und sah, wie er ausholte.
»Wirst du endlich reden, du Ratte!«
Klaus Jäger lachte. »Mach dich nicht lächerlich. Deine Frau kannst du behalten. Sie war für mich nur Mittel zum Zweck, aber an deine Tochter kommst du nicht mehr heran.«
Ein Schrei, der so endgültig klang. Frank Herzog hatte ihn ausgestoßen, und er rammte den rechten Arm mit der Spritze auf das anvisierte Ziel zu.
Er hätte auch getroffen, wenn ich nicht schneller gewesen wäre. Mit einem blitzschnellen Griff fing ich den Arm rechtzeitig ab und drehte ihn herum.
Wieder schrie der Grafiker auf. Diesmal voller Schmerz. Ich nahm ihm die Spritze aus der Hand.
»Kein Mord in meiner Anwesenheit!«, fuhr ich ihn an.
Er sackte zusammen. Fing an zu weinen, und Dagmar kam, um ihm zur Seit zu stehen.
Wir waren keinen Schritt vorangekommen, aber aufgeben wollten wir nicht. Wir mussten herausfinden, wo sich diese Kapelle befand.
Es konnte Zufall sein, auch Schicksal, aber in diesem Moment meldete sich das Handy des Arztes. Es steckte in seiner linken Kitteltasche, an die er jedoch nicht herankam.
Dafür hatte ich beide Hände frei, und ich nahm den flachen Apparat an mich. Ich stellte den Lautsprecher an und reichte den Apparat an Harry weiter, weil man meiner Stimme angehört hätte, dass ich nicht Dr. Jäger war. Harry meldete sich mit neutraler Stimme.
»Ja…«
»Bist du schon unterwegs?« Eine Frau. Bestimmt diese Mary. Ihre Stimme klang leicht hektisch.
»Nein«, murmelte Harry. »Aber ich warte.«
»Ich muss noch was erledigen.«
»Was denn?«
Bisher lief alles gut. So versuchte Harry, auch weiterhin Jägers Stimme zu imitieren. »Man braucht mich hier. Es ist ein Notfall…«
»Das ist doch nicht wahr!«
»Ja. Bist du an der Kapelle?«
»Natürlich.«
»Kann ich dir jemanden schicken?«
Nach dieser Frage kam es darauf an, ob bisher alles richtig gelaufen war.
Das war es nicht. Wir hörten ein Kreischen, dann die schrille Stimme der Frau. »Du bist es nicht. Verdammt noch mal, du bist es nicht. Du bist nicht Klaus Jäger…«
Schluss!
Harry sprach zwar noch in das Handy, aber er erhielt keine Antwort mehr.
Es war plötzlich still geworden innerhalb des Sterbezimmers. Wir wussten jetzt, dass diese Krankenschwester gewarnt war, aber wo sie steckte, war uns nicht bekannt.
»Sie hat doch bestimmt von einem Handy aus angerufen«, sagte Harry Stahl plötzlich.
Ich nickte. »Vermutlich.«
»Und das lässt sich orten«, sagte Dagmar.
Es war die einzige Chance, die uns blieb.
Harry Stahl verschwand mit dem Handy. Er würde sich mit seiner Zentrale in Verbindung setzen. Zum Glück arbeiteten er und Dagmar für einen geheimen Dienst. Da hatte man so einige Möglichkeiten, Anrufe zurückzuverfolgen.
Ab jetzt konnten wir uns nur noch die Daumen drücken…
***
Mary war allein mit dem Kind. Sie hatte gewartet, und sie hatte es nicht mehr aushalten können. Deshalb auch der Anruf. Dass sie auf eine fremde
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