1573 - Blick in die Zeit
kommst du auf diese Frage?"
„Es ist nicht wichtig", wehrte Nermo Dhelim hastig ab. „Hat sie dir nachspioniert?" fragte Mirona Thetin amüsiert. „Das würde mich nicht überraschen.
Sie ist eifersüchtig. Das ist doch völlig normal."
Nermo Dhelim war sich dessen nicht so sicher, aber in Mirona Thetins Gesellschaft fand er es mühsam, sich über die Gefühle seiner erwachsenen Tochter den Kopf zu zerbrechen.
Mirona Thetin war eine faszinierende Frau.
Sie hatte die seltene Gabe, Menschen zu akzeptieren, ohne sie verändern zu wollen.
Und sie hatte Verstand.
Sie war die einzige, die Nermo Dhelims hochfliegenden Gedanken stets zu folgen vermochte. Bei Mirona Thetin brauchte er seinem Verstand niemals Zügel anzulegen. Ganz gleich, welches Thema er auch anschnitt, sie wußte, wovon er sprach, und sie war imstande, sich dazu zu äußern.
Abgesehen davon war sie wunderschön. Nermo Dhelim konnte getrost davon ausgehen, daß jeder männliche Lemurer, der Mirona Thetin kannte, ihn ehrlichen Herzens um jede einzelne Minute beneidete, die er in Gesellschaft der Hohen Tamrätin verbrachte. „Ich habe etwas sehr Seltsames entdeckt", sagte der Wissenschaftler, um das Thema zu wechseln. „Diese Entdeckung wird möglicherweise von entscheidender Bedeutung für die Zukunft unseres Volkes sein."
Mirona Thetin sah ihn an und lächelte.
Sie sah wunderbar aus, wenn sie lächelte.
Sie sah auch wunderbar aus, wenn sie wütend war. Es gab tatsächlich keine einzige Stimmung, die ihr etwas von ihrem Reiz genommen hätte. „Du bist ja richtig aufgeregt", stellte sie fest. „Und ich bin es mit gutem Grund", erwiderte Nermo Dhelim. „Es könnte nämlich sein, daß ich das Geheimnis des ewigen Lebens entdeckt habe."
Für einen Augenblick glitt etwas wie ein Schatten über ihr Gesicht. „Nein, ich bin nicht verrückt geworden", sagte er beschwichtigend. „Und es ist auch kein Hirngespinst. Aber andererseits werde ich wohl noch viel Zeit brauchen, um diese Idee zu realisieren."
Diese Behauptung gehörte zu der Geschichte, die Nermo Dhelim sich zurechtgelegt hatte, um mit der Wahrheit noch hinter dem Berg halten zu können und sich trotzdem eine Möglichkeit zu schaffen, mit Mirona Thetin über die ganze Angelegenheit zu reden.
Die Lemurerin sah den Wissenschaftler aufmerksam an. „Das ewige Leben", wiederholte sie nachdenklich. „Die Unsterblichkeit. Das ist ein uralter Mythos. Aber ich glaube nicht recht daran, daß diese Idee sich verwirklichen läßt."
„Warum nicht?"
Mirona Thetin schien von der Ernsthaftigkeit seine Frage überrascht zu sein. „Vielleicht läßt sich meine Skepsis einfach auf die Befürchtung zurückführen, daß es zu schön wäre, um wahr zu sein", erwiderte sie mit einem leisen Lachen. „Die Unsterblichkeit - stell dir nur vor, wie es wäre, wenn wir zwei sie hätten! Glaubst du, daß eine Liebe ewig währen kann?"
„Ich bin mir noch nicht einmal sicher, daß ausgerechnet wir beide die Unsterblichkeit verdient hätten", sagte Nermo Dhelim nachdenklich. „Man müßte die, die sie bekommen sollten, zweifellos mit ganz besonderer Sorgfalt auswählen."
„Es ist also nicht so, daß du sie jedem geben könntest?"
„Auf gar keinen Fall. Es wäre ein ungemein schwieriges Unternehmen, die Geräte zu bauen, von denen ich glaube, daß sie ihren Trägern die Unsterblichkeit garantieren könnten."
„Ich glaube nicht, daß ich unsterblich sein möchte, wenn ich meine ewige Jugend in einer Maschine verbringen müßte."
Er lachte über ihren Pessimismus. „Das wäre auch gar nicht nötig", beruhigte er sie. „Die Geräte, an die ich denke, wären sehr klein. Man könnte sie an einer Kette um den Hals tragen - wie Schmuckstücke."
„Schmuckstücke, die ihre Träger für ewig jung erhalten!"
„Ja."
„Das wäre eine großartige Erfindung."
„Da gebe ich dir recht."
„Und es wäre kein Haken dabei?"
„Oh, doch!"
„Und zwar?"
„Nun, ich fürchte, daß es eine Entscheidung wäre, die sich nicht rückgängig machen ließe. Ich nenne diese Geräte ›Zellschwingungsaktivatoren‹, und ich habe recht genaue Vorstellungen davon, wie sie arbeiten sollen.
Eines steht schon jetzt fest: Diese Geräte werden sich innerhalb weniger Tage auf ihren Träger einstellen.
Danach darf man sie nie wieder ablegen, nicht einmal für die Dauer einer Sekunde."
„Und wenn man es nun doch einmal täte?"
„Würde man zu Staub zerfallen", sagte Nermo Dhelim ernst. „Und der Aktivator würde sich selbst
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