1573 - Blick in die Zeit
innere Qualitäten."
Er bedauerte den schroffen Tonfall, aber als er Ermigoas Blicke sah, wußte er, daß er instinktiv das Richtige getan hatte. „Gut", sagte sie nachdenklich. „Ich werde ihn behalten und nicht ablegen. Wie lange wird es dauern?"
„Einige Tage", erwiderte er aufatmend.
Ermigoa war sich immer noch nicht sicher, was sie von Nermo Dhelims Geschenk halten sollte.
Andererseits liebte sie ihren Vater. Sie wollte ihn nicht verletzen.
Sie warf einen letzten Blick auf den Anhänger und beschloß dann offenbar, ihren Vater von diesem Thema abzulenken. „Was hast du sonst noch gefunden?" fragte sie. „Wo warst du?"
Er hätte ihr gerne alles erzählt und ihre Meinung zu all den seltsamen Dingen gehört, die er erfahren hatte, aber er wußte, daß er das nicht wagen durfte.
Ermigoa war nicht dumm. Sie wußte, womit er sich in den letzten Jahren beschäftigt hatte und welchem Ziel er nachgejagt war. Wenn er auch nur ein einziges falsches Wort sagte, würde sie sofort die richtigen Schlüsse ziehen.
Wenn der Zellaktivator sich auf sie eingestellt hatte, würde immer noch genug Gelegenheit dazu bleiben, sie einzuweihen.
Andererseits war es bis dahin nicht ratsam, in ihrer Nähe zu bleiben. Sie war eine Expertin in der Kunst, ihren Vater auszuhorchen und ihn zum Reden zu bringen, und im Augenblick schien sie ihm ohnehin mißtrauisch zu sein. „Ich werde es dir ein andermal erzählen", sagte er zu ihr. „Ich bin heute nur zu dir gekommen, weil ich es eilig hatte, dir dieses besondere Schmuckstück zu bringen. Eigentlich hätte ich selbst dazu keine Zeit gehabt. Dein Vater ist drauf und dran, ein berühmter Forscher zu werden."
Ermigoa lachte. „Das ist mir nicht neu", sagte sie amüsiert. „Wie willst du noch berühmter werden, als du es schon bist?"
„Warte es ab! Zuerst muß ich meine Beobachtungen auswerten. Du wirst die erste sein, die das Ergebnis erfährt."
Ihre Heiterkeit war plötzlich wie weggeblasen. Sie musterte ihn mit prüfendem Blick. „Nein", sagte sie nüchtern. „Das ist eine Lüge, und du weißt das. Sie wird die erste sein - nicht ich."
Nermo Dhelim war wie vor den Kopf geschlagen. Sprachlos starrte er seine Tochter an. „Es tut mir leid", sagte Ermigoa nach einiger Zeit. „Ich habe kein Recht, dir Vorwürfe zu machen, und ein Urteil über Mirona Thetins Charakter steht mir erst recht nicht zu. Aber ich kann sie nun mal nicht leiden. Geh zu ihr, wenn du unbedingt willst, aber erzähle mir keine Lügen über die Arbeit, die auf dich wartet!"
Nermo Dhelim schwieg.
Er fragte sich, wie sie es wohl herausbekommen hatte.
Hatte sie es schon vor seiner Abreise gewußt?
Es war durchaus möglich. Sie war schließlich nicht dumm. Wahrscheinlich hatte sie schon in dem Augenblick Verdacht geschöpft, als er darauf bestanden hatte, ihr eine eigene Wohnung einzurichten.
Offiziell hatte er das getan, damit sie in Ruhe und ohne die fast unvermeidliche Bevormundung durch ihren Vater erwachsen werden konnte.
Er fragte sich, ob sie ihm das jemals geglaubt hatte. „In deinen Augen bin ich wohl ein alter Mann", sagte er langsam. „Aber ich fühle mich nicht so, wie du mich siehst. Mein Leben ist noch längst nicht beendet, und deine Mutter wird nicht dadurch wieder lebendig, daß ich mich in meine Forschungen vertiefe und die Welt ignoriere."
„Ich sagte bereits, daß es mich nichts angeht", erwiderte Ermigoa spitz. „Du siehst: Ich bin eine sehr verständnisvolle Tochter."
Aber ihr Tonfall besagte das genaue Gegenteil.
Plötzlicher Zorn stieg in ihm auf. „Es geht dich tatsächlich nichts an!" sagte er schroff. „Wir sehen uns in einigen Tagen."
„Gib mir vorher Bescheid!" rief sie ihm nach, als er zur Tür ging. „Auch ich habe ein Privatleben!"
„Ich habe nicht die Absicht, mich in deine Angelegenheiten einzumischen", versicherte er bitter und ging hastig davon.
Für einen Augenblick fragte er sich, ob es richtig gewesen war, ihr das ewige Leben zu geben.
War sie nicht schon immer ein wenig egoistisch gewesen?
Nicht nur ein wenig, dachte er. Sie hatte von Anfang an nur sich und ihr Vergnügen im Kopf.
Der Gedanke schmerzte ihn. Er schob ihn hastig beiseite.
Er war nicht wankelmütig. Ihm wurde lediglich bewußt, daß es seine Tücken hatte, wenn man sich allzusehr von seinen Gefühlen leiten ließ.
Nermo Dhelim nahm sich vor, in. Zukunft vorsichtiger zu sein. „Ermigoa?" fragte Mirona Thetin. „Nein, ich habe sie nicht gesehen. Auch nicht mit ihr gesprochen. Wie
Weitere Kostenlose Bücher