1576 - Die Leichengasse
Festgezurrt wie immer. Aber der Deckel war nicht mehr vorhanden. Brian musste nicht mal einen langen Hals machen, um in den Sarg hineinschauen zu können.
Er sah auch so, dass er leer war!
Jetzt begriff er gar nichts mehr, aber der Grund des Überfalls war ihm trotzdem klar. Die Typen hatten den Leichenwagen gestoppt, um den Toten zu rauben.
Was immer sie mit ihm anstellen wollten, er fasste es nicht, und beinahe wäre er wieder zusammengebrochen.
Dann erinnerte er sich an sein Handy, das in der Innentasche seiner Jacke steckte. Von allein kamen sie hier nicht mehr weg, und so rief er seinen Chef an, damit dieser ihnen helfen sollte, auch wenn es mitten in der Nacht war…
***
Es war kein gutes Gespräch gewesen, das ich mit meinem Freund Father Ignatius, dem Chef der Weißen Macht, geführt hatte. Ich hatte ihm leider von einer Niederlage berichten müssen, die mich sehr tief getroffen hatte, denn Matthias, ein abtrünniger Agent der Weißen Macht, hatte sich auf die andere Seite gestellt und diente jetzt dem absolut Bösen, vertreten durch Luzifer.
Father Ignatius hatte versucht, mich vom fernen Rom aus zu trösten.
»Nimm es nicht so tragisch, John. Man kann im Leben nicht immer gewinnen. Wir sind alle nur Menschen.«
»Das weiß ich ja«, gab ich zerknirscht zu, »aber wie ich dir schon sagte, hat er es sogar geschafft, meinem Kreuz zu entkommen. Eingehüllt in das kalte blaue Licht des Höllenherrschers. Das war für mich ein Schock. Gerade weil es um das Kreuz geht. Ich kam mir vor, als hätte man mir den Boden unter den Füßen weggezogen.«
Ich spürte deutlich, dass mich das Gespräch aufregte, denn ich fing an zu schwitzen.
»Ja, das verstehe ich, John. Es ist schlimm gewesen, aber heißt es nicht, dass man sich im Leben immer ein zweites Mal trifft?«
»Stimmt. Und darauf hoffe ich auch, und dann möchte ich gerüstet sein. Nur kann ich den Zeitpunkt leider nicht bestimmen. Und ich gehe auch davon aus, dass Matthias mit einer noch stärkeren Inbrunst gegen euch kämpfen wird, als er davor für euch gestritten hat.«
Nach einer kurzen Pause gab Ignatius die Antwort.
»Davon kann man ausgehen, John. Er wird von der anderen Seite viel stärker beeinflusst und infiltriert werden.«
Während ich telefonierte, ging ich zum Fenster und schaute hinaus in einen trüben, recht schwülen Tag, denn über London lag die Luft wie Blei.
»Du musst dich auch darauf einstellen, dass er versuchen wird, der Weißen Macht den schlimmsten Schaden zuzufügen. Er wird seine ehemaligen Kollegen mit seinem glühenden Hass verfolgen, und für ihn wird nur ein toter Agent der Weißen Macht auch ein guter sein. Davon bin ich überzeugt.«
»Damit rechne ich auch.«
»Hast du denn deine Mitstreiter gewarnt?«
»Ich bin dabei, John.«
»Und?«
Father Ignatius lachte. »Sie können es kaum fassen. Ich habe ihnen nichts verschwiegen, sondern ihnen die gesamte Wahrheit dargelegt. Es war für jeden ein Schock.«
»Das kann ich mir denken.«
»Und eine Spur hast du nicht, John?«
»Nein. Das kann dir auch dein Agent Stephan Kowalski berichten, der mich unterstützt hat. Beide haben wir es nicht geschafft, und das hat mich schon mitgenommen.« Ich winkte ab, obwohl Ignatius es nicht sehen konnte. »Was soll’s? Da müssen wir eben durch.«
»Ja. Die Zukunft wird nicht lustig, was dies betrifft.«
»Du sagst es, Ignatius.«
»Wir hier in Rom werden natürlich die Augen weit offen halten. Sollten sich auch nur die geringsten Verdachtsmomente ergeben, die auf neue Aktivitäten hindeuten, gebe ich dir Bescheid. Dabei bin ich mir nicht sicher, ob Matthias weiterhin ein Einzelgänger bleiben wird. Es ist zu befürchten, dass er sich Verbündete sucht, um noch intensivere Angriffe starten zu können. Aber das bleibt abzuwarten.«
»Es wird uns wohl nichts anderes übrig bleiben.«
»Dann können wir uns nur noch gegenseitig viel Glück und Gottes schützenden Segen wünschen, John.«
»Ja, das können wir gebrauchen.«
»Bis dann.«
Ich hörte nichts mehr und stand für einige Sekunden unbeweglich.
Natürlich hatte mich das Gespräch mitgenommen. Ich fühlte mich ziemlich geschlaucht. In meinem Innern rotierte es, und ich konnte die Gedanken nicht von meiner letzten Niederlage lassen. Sie hatte mich schwerer getroffen, als ich zugeben wollte, denn sie hatte fast etwas Endgültiges an sich gehabt.
Matthias war meinem Kreuz im Schutzmantel des verdammten Luzif er entkommen, und das war schlimm. Aber ich musste mich
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