1576 - Die Leichengasse
damit abfinden, dass es eine mächtige Gegenkraft gab.
Telefoniert hatte ich nicht vom Büro aus. Ich war bei mir zu Hause geblieben und würde erst später ins Büro fahren. Sir James war informiert, auch Suko wusste Bescheid, Glenda ebenfalls, doch sie kannte die genauen Hintergründe nicht.
Sir James war natürlich sehr besorgt gewesen. Ebenso wie Suko.
Aber wir konnten nichts tun. Es war uns leider nicht möglich, in die Zukunft zu schauen und irgendwelche Aktivitäten der Gegenseite vorherzusagen. Es musste erst etwas geschehen, und davor fürchtete ich mich.
Einer wie Matthias würde seinen eigenen Weg gehen. Er war schon jetzt ein Gegner für mich, der sehr stark war und dessen gesamten Kräfte ich nicht mal einschätzen konnte. In ihm war mir ein neuer starker Feind erwachsen. Ich verglich ihn fast mit dem Schwarzen Tod, mit Saladin oder auch mit dem Supervampir Will Mallmann, alias Dracula II.
Aber jeder Vergleich hinkte irgendwie. Ich musste realistisch bleiben, und ich schätzte ihn deshalb als noch stärker ein, weil eben mein Kreuz bei ihm versagt hatte.
Mit diesem nicht eben optimistischen Gedanken griff ich nach meiner leichten Leinenjacke und verließ meine Wohnung, um ins Büro zu fahren.
Suko hatte mir den Rover gelassen, er war mit der U-Bahn gefahren.
Auch mit ihm und Glenda musste ich sprechen.
Die Conollys mussten ebenfalls Bescheid wissen, denn es war damit zu rechnen, dass dieser Matthias seine Aktivitäten auch auf meine Freunde ausdehnen würde. Und das konnte immens gefährlich werden.
Während ich mich durch den Londoner Verkehr schlängelte, fragte ich mich auch, welche Waffen meine Freunde besaßen, um sich wehren zu können.
»Keine«, flüsterte ich vor mich hin, »es gibt keine. Sie sind schutzlos.«
Noch war es reine Theorie, und ich betete darum, dass ich mich täuschte und der abtrünnige Priester Matthias nur mich als Gegner sah.
Dass alles Schlag auf Schlag gehen würde, daran glaubte ich nicht.
Auch jemand wie dieser ehemalige Agent der Weißen Macht würde eine Weile brauchen, um seine Pläne in die Tat umzusetzen.
Außerdem war er nicht der einzige Gegner, mit dem ich es zu tun hatte.
Ich durfte die anderen Fälle keinesfalls aus den Augen verlieren, die bestimmt noch auf mich und meine Freunde zukommen würden.
Und da sollte ich mich nicht geirrt haben…
***
Im Büro traf ich in der Mitte des Vormittags ein. Diesmal gab es keine lockere Begrüßung durch Glenda Perkins, denn auch sie kannte meinen Zustand.
»Alles klar?«, fragte sie, als ich auf den Kaffeeautomaten zuschritt.
»Muss ja, nicht?«
»Also nicht?«
Ich winkte ab. »Du weißt ja, wie mir zumute ist, nach allem, was in Polen passiert ist. Ich habe mit Father Ignatius gesprochen. Er wird auf jeden Fall seine Leute warnen, denn es ist mit weiteren Angriffen zu rechnen.«
Glenda nickte und musterte mich nachdenklich. Es verwunderte mich, sodass ich fragte: »Habe ich etwas an mir?«
»Nein, John, aber du siehst recht deprimiert oder abgeschlafft aus. Das muss ich schon sagen.«
Ich lächelte etwas schief und meinte: »Es ist eben schwer für mich, zu schauspielern.«
»Das weiß ich.«
Ich ging mit der gefüllten Tasse in der Hand auf die offene Tür zu unserem Büro zu. Schon beim ersten Blick stellte ich fest, dass es nicht besetzt war.
Auf der Schwelle drehte ich mich um.
»He, wo steckt Suko denn?«
»Er wollte zu einem Kollegen.«
»Und worum ging es?«
»Das hat er mir nicht gesagt. Es scheint eine private Sache zu sein. Mehr kann ich dir auch nicht sagen.«
»Gut.« Ich pflanzte mich hinter meinem Schreibtisch und trank die ersten Schlucke.
Im Büro gab es eine Klimaanlage, was mir gut tat, sonst hätte ich den heißen Kaffee bei dieser Hitze kaum genießen können.
Glenda war in der offenen Tür stehen geblieben und hielt die Arme vor der Brust verschränkt. Sie schaute mich mit leicht skeptischen und auch sorgenvollen Blicken an und meinte: »Du gefällst mir gar nicht, John.«
»Tatsächlich?«
»Ja.«
»Und warum gefalle ich dir nicht?«
»Das kann ich dir sagen.« Sie setzte sich auf Sukos Platz. »Du bis zu ruhig. Du wirkst in dich gekehrt. Irgendetwas ist mit dir passiert.«
»Du weißt genau, was.«
»Und es nimmt dich so stark mit wie bisher selten?«
Zu Glenda hatte ich Vertrauen. Wir kannten uns lange genug, und so gab ich ihr auch eine ehrliche Antwort.
»Ja, es nimmt mich stark mit. Ich hätte nie gedacht, dass es jemanden gibt, der der Kraft meines
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