158 - Amoklauf der Werwölfe
war. Sie verlieh ihm etwas mehr Sicherheit.
Hier im Wald war es fast vollständig dunkel. Abi bahnte sich seinen Weg. Er zählte die Schritte und rechnete sie in die Entfernungsangaben um. Schließlich glaubte er, dicht genug am Ziel zu sein. Die Lichtung mit der Blockhütte mußte bald vor ihm auftauchen. Es wurde Zeit, daß er sich Gedanken darüber machte, wie er den Dämonen entgegentrat. Daß er sich ihnen waffenlos stellte, wie sie es verlangten, kam ohnehin nicht in Frage. Er mußte sie irgendwie austricksen.
Vor allem durfte er nicht zulassen, daß Dunja etwas geschah. Er mußte wissen, ob sie tatsächlich in der Hütte war.
„Verdammt", murmelte er.
Er hatte ihre Stimme am Telefon gehört.
In der Blockhütte aber gab es kein Telefon! Keine Leitung führte durch die Luft, erkannte er, als er die Lichtung erreichte, und daß jemand das Kabel unterirdisch verlegt hatte, war unglaubhaft. Entweder also war Dunja erst nach dem Anruf hierher gebracht worden, oder - sie war gar nicht hier! Dann hatte er natürlich alle Chancen verspielt. Die Dämonen würden ihn hier erledigen, ohne daß er auch nur den Hauch einer Chance hatte, das Mädchen noch einmal wiederzusehen.
„Vielleicht hattest du recht, Dorian", flüsterte er heiser. „Ich bin ein Narr."
Er starrte die Blockhütte an. Und plötzlich hatte er eine Idee.
Dorian wartete in den Schatten. Er verschmolz fast mit der Dunkelheit. Er wußte, daß die Wachsoldaten angehalten waren, so aufmerksam wie nur eben möglich zu sein. Keiner von ihnen war zu sehen, sie hatten sich verborgen. Der Leutnant hatte es so angeordnet. Zum einen wollte er nicht, daß es wieder Opfer unter seinen Männern gab, zum anderen wollte Dorian, daß der Untote sich nur auf ihn selbst, Dorian, konzentrierte.
Loskalnitschin würde ihn finden - wenn er kam.
Der Dämonenkiller war vorbereitet. Er wartete. Es fiel hier nur wenig Schnee, nur ein paar vereinzelte Flocken.
Plötzlich war da ein Schatten.
Dorian zuckte zusammen. Er sah nur etwas, das blitzschnell über die weiße Fläche huschte und schon wieder verschwunden war. Unwillkürlich spannte sich der Dämonenkiller an.
War Loskalnitschin unterwegs?
Dorian lauschte in die Dunkelheit.
Er versuchte etwas wahrzunehmen. Aber er sah und hörte nichts mehr. Es war, als sei er einer Täuschung erlegen. Aber dann war da plötzlich ein leises Scharren.
Es war über Dorian, auf dem Dach des Flachbaus, an dem er stand.
War der Werwolf über ihm?
Dorian machte sich sprungbereit.
Da hörte er das verhaltene Knurren. Aber es kam nicht von oben, sondern von links. Und rechts öffneten sich im Nichts, in der Dunkelheit, zwei gelbe Augen. Dreieckig und bösartig.
Narrte ihn ein Spuk, oder kamen sie tatsächlich von allen Seiten?
Er konnte die düstere Magie fast körperlich spüren, die die Werwölfe umgab. Sie hatten ihn eingekreist, ohne daß es jemand bemerkt hatte. Dorian fragte sich, wie sie in das Camp eingedrungen waren, ohne daß ein Alarm ausgelöst worden war. Aber andererseits waren sie auch vor Tagen hereingekommen, als sie das Plutonium stahlen.
War es wirklich Loskalnitschin, der unter ihnen lauerte, oder waren nur die Lonkins gekommen, um Dorian niederzumachen? Er versuchte die Dämonen zu sehen. Aber da war nur das Knurren, da waren die Augen, da waren die Geräusche auf dem Dach. Von dort schob sich jemand heran.
Dorian erkannte, daß sie ihn fertigmachen würden. Er hatte nicht gedacht, daß sie ihn tatsächlich einkreisten. Plötzlich erhob sich ein stärkerer Windhauch, der Schnee heranwehte. Der Wind war auf keinen Fall natürlich, denn er blies in die falsche Richtung.
Dorian machte sich bereit. Das Flachdach war einen Meter über ihm. Und da sah er den riesigen Schatten über sich am Nachthimmel. Eine wölfische Gestalt kauerte dort auf der Dachkante, den Rachen geöffnet, und die weißen, langen Reißzähne leuchteten im Licht des abnehmenden Mondes. Im nächsten Moment ließ der Wölfische sich fallen.
Dorian machte einen Satz nach vorn und schrie eine magische Formel, während er sich in den Schnee warf und zusammenrollte. Der Wolf, der ihn von oben angesprungen hatte, stürzte genau dort hin, wo sich Dorian noch Sekundenbruchteile zuvor befunden hatte. Ein Feuerkreis schlug aus dem Boden hervor. Dorian hatte diesen Platz zuvor sorgfältig präpariert. Die Flammen leckten nach dem aufjaulenden Werwolf. Und im nächsten Moment waren die anderen da.
Sie waren zu dritt, wo er nur mit zweien gerechnet
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