158 - Amoklauf der Werwölfe
hatte, weil er Knurren und Augen entdeckt hatte. Der dritte hatte seine Anwesenheit nicht verraten.
Aber jetzt war er da.
Dorian stieß ihm eine Gemme entgegen. Der Werwolf heulte auf, als er von dem magischen Material berührt wurde. Es stank nach verbranntem Fell. Klauen rissen an Dorians Arm, und er spürte den Schmerz, als ein Wolfsmaul zubiß. Er trat um sich. Plötzlich zeigte sich das Stigma in seinem Gesicht, eine blaurot leuchtende Fratzenmaske, die Dorian dem Dämon Srasham zu verdanken hatte. Die Werwölfe wichen heulend zurück. Dorian versuchte sich aufzurichten. Er hob die Pistole, zielte und schoß. Das geweihte Silber verfehlte sein Ziel, weil der Werwolf einen Sprung zur Seite machte.
„Ata kha wona s'do!" schrie einer der Dämonen. Dorian fühlte, wie seine Glieder bleischwer wurden. Krampfhaft hielt er die Pistole fest und schoß, als der Werwolf ihn ansprang. Die Silberkugel schlug in den pelzigen Körper, aber der Werwolf prallte dennoch auf Dorian und warf ihn rücklings in den Schnee. Er schrie auf. Mit aller Kraft, die er noch besaß, schleuderte er den Körper von sich, der sich zu verändern begann. Schon waren die beiden anderen Werwölfe da. Einer schnappte nach Dorians von einem Wollschal geschützten Hals. Die Fänge des Wolfes drangen durch den Schal und durch die Kunststoffhülle, in der sich Weihwasser befand. Jaulend sprang der Werwolf zurück, während etwas von dem aufspritzenden Wasser noch Dorian selbst in den Kragen rann. Er rollte sich herum und kämpfte gegen die bleierne Schwere an. Der dritte Werwolf verließ sich nicht mehr auf Klauen und Zähne, sondern setzte Magie ein. Ein dunkler Schatten legte sich über Dorian und begann ihn einzuhüllen. Der Dämonenkiller sah, wie die Schwärze über seinen Körper kroch. Wo sie ihn umhüllte, fühlte er seine Gliedmaßen nicht mehr. Sie schienen abzusterben oder zu verschwinden. Gelbe Augen glühten über ihm in der Nacht.
Dorian konnte die Silberkugelpistole nicht mehr halten. Er konnte sich auch nicht mehr aufraffen. Dieser verdammte letzte Werwolf schaffte es, ihn umzubringen! Dorian versuchte einen Gegenzauber zu formulieren, aber er war nicht in der Lage, die dazu notwendigen Zeichen zu formen. Die Worte allein reichten nicht aus.
Die Schwärze stieg immer höher und hatte jetzt fast sein Herz erreicht. Er wußte, daß er dann sterben würde.
Abi Flindt formte Schneebälle! Dann träufelte er etwas von dem Weihwasser auf jeden Ball; das gefrierende Wasser härtete die Schneebälle noch ein wenig. Der Däne arbeitete so lange, bis die Bälle steinhart waren. Dann legte er sich einen Vorrat von „weicheren" Wurfgeschossen zurecht.
Die Werwölfe in der Blockhütte mußten ihn längst gesehen haben. Wahrscheinlich warteten sie gespannt ab, was er tun würde, vielleicht amüsierten sie sich über ihn. Sie ahnten ja nicht, was er beabsichtigte.
Die weichen Schneebälle legte Abi in einem bestimmten Muster vor sich aus, zog einen Kreis darum und sprach einen Zauber darüber. Die Magie, mit der er die Bälle versah, war zwar nicht sonderlich stark, aber sie würde wahrscheinlich halten.
Er nahm die Bälle aus dem Kreis, trat aus dem Unterholz auf die Lichtung hinaus und begann zu werfen. Darin war er schon immer ganz groß gewesen und seine Treffsicherheit berüchtigt. Er setzte vier der magisch behandelten Schneebälle in einer geraden Linie untereinander an die Blockhüttentür. Der Schnee haftete.
Etwas zerspritzte zwar nach allen Seiten, aber die gerade Linie war zu erkennen. Jetzt schleuderte Flindt jeweils einen weiteren Ball rechts und links des zweitobersten an die Tür.
Ein Schneekreuz war entstanden.
Die Dämonen im Innern der Hütte wußten natürlich nicht, was da draußen entstanden war. Sie erkannten nur, daß Abi die Tür bewarf, das war alles. Sie mußten es für eine Aufforderung halten, herauszukommen.
Die mit Weihwasser behandelten Eisbälle in Reserve haltend, wartete Abi grinsend ab. Er sah ein Gesicht hinter dem Fenster neben der Tür auftauchen. Ein Dämon der Lonkin-Wolfsfamilie starrte ihn an.
Das Fenster wurde geöffnet.
„Flindt?" fragte der Dämon, als ob er das nicht längst wisse.
„Gebt das Mädchen frei", schrie der Däne.
„Wirf all deine Waffen und Dämonenbanner in den Schnee", befahl der Werwolf-Dämon hinter dem Fenster. „Alle! Wir wissen, was du mitführst. Du bist beobachtet worden, als du dich nähertest."
Sie fürchteten seine Waffen also.
Nun, das war verständlich.
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