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158 - Orguudoos Brut

158 - Orguudoos Brut

Titel: 158 - Orguudoos Brut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Seidel
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Wahrheit. Das hatte er schon beim Naa'dam von Makand bewiesen, als Chengai das Abschlussrennen gewann und die unterlegenen Sennachen ihm die Siegprämie nicht aushändigen wollten, einen kleinen Jingiihengst.
    Jem'shiin hatte daraufhin eine Schlägerei vom Zaun gebrochen, aus der er unter keinen wie auch immer gearteten Umständen heil heraus kommen konnte. Nach seinem Verstand befragt, hatte er mit blutverschmiertem Mund gerufen: »Der ist in Ordnung, Leute! Macht euch mal lieber Gedanken über meine schwer bewaffnete Truppe von hundert Mann, die hier gleich auftauchen wird!«
    Widerwillig musste Narayan dem Russen Respekt zollen. Es war eine riskante Lüge gewesen, die Jem'shiin damals vorgetragen hatte! Wären die Sennachen ein etwas mutigeres Volk, hätten sie ihren Abzug langsamer angehen lassen und festgestellt, dass weit und breit niemand gen Makand marschierte. Was dann mit Jem'shiin passiert wäre, stand außer Frage. Wenigstens für die Saikhan.
    Chengai war zutiefst beeindruckt gewesen – beeindruckt und dankbar! Er hatte das ganze Naa'dam hindurch hart um den Junghengst gekämpft, weil das Tier eine überaus viel versprechende Abstammung besaß, und er liebte Jem'shiin allein schon für die Eroberung dieser Prämie. Das war gut so, denn es stellte sich bald heraus, dass der Russe nicht gar so todesmutig war, wie Chengai glaubte. Tatsächlich hatte Jem'shiin keine Ahnung gehabt, was einem besiegten Feind der Sennachen blühte: Sie hätten ihm Stricke um Hände und Füße gelegt, ihn an starke Jingiis gebunden und gevierteilt.
    Narayan grinste bei der Erinnerung an den Moment, als Jem'shiin das erfuhr. Der Russe war grün geworden – richtig grün! –, dann hatte er sich röhrend übergeben. Sie mussten ihn später auf ein Jingii setzen und aus der Stadt führen, weil seine Beine nicht aufhörten zu zittern.
    Knack.
    Ein Holzscheit barst in der Feuerstelle. Narayan ließ die unbeschwerten bunten Sommergedanken hinter sich und schlenderte zurück ans Fenster.
    Es war so still im Dorf wie es nur sein konnte um diese Zeit.
    Die Nukkoherde hatte ihr Gemecker eingestellt, das so verblüffend nach Kinderweinen klang. Von den beiden Yakks hörte man ohnehin selten mehr als Wiederkäuen, und die Jingiis schliefen. Tief und ruhig wie ihre Besitzer.
    Manchmal rutschte eine Schneeplatte von den Dächern und fiel mit leisem Pluff auf den verschneiten Boden. Sonst war nichts zuhören. Selbst der Wind ruhte.
    Narayan sah auf. Wäre der Himmel nicht so verhangen, könnte man sich die Zeit bis zur Wachablösung mit dem Betrachten glitzernder Wintersterne vertreiben. Der Saikhan unterdrückte ein Gähnen. Es war so nutzlos, hier herumzustehen! Sie würden nicht kommen. Nicht jetzt. Nachts schliefen die Ratten, und diese widerlichen Shak'machuu waren nichts anderes als das!
    Es geschah ohne Vorwarnung.
    Rumms. Etwas knallte von draußen an die Tür. So laut, so hart, dass Narayan heftig zusammenfuhr. Im nächsten Moment hatte er sein Messer gezogen, war an der Wand entlang in Kauerstellung gesunken und griff nach dem starken Brett, das den Eingang von innen sicherte. Im Nebenraum hörte er seine Gefährten. Lamak und Rai glitten durch das hintere Fenster, um die Hütte zu umrunden und unerwartet an den Flanken des Feindes zu erscheinen. Chengai kam zur Tür gehuscht. Er sah Narayan an. Kurzes Nicken, dann stieß der Saikhan das Brett hoch. Er riss die Tür auf, die Männer sprangen ins Freie – und Chengai sprang fluchend gleich wieder zurück.
    Vor dem Eingang lag ein großer Knochen.
    ***
    Gegen Mitternacht, in Karachoto
    Onnar erwachte schweißgebadet. Der Tongidd hatte schlecht geträumt, wie jede Nacht seit Uubins Tod. Die schrecklichen Bilder vom Sterben seines Bruders ließen ihn nicht mehr los.
    Leise, um die anderen nicht zu wecken, erhob sich Onnar von seinem Lager an der Feuerstelle. Sie war längst herunter gebrannt, doch es gab noch immer ein schwaches rotes Glimmen in der Asche. Letzte Wärme stieg davon auf, gerade genug, um den Platz im Stollen gemütlich zu machen. Die Tongidds kannten das Geheimnis der Kohle, und ein Vorrat dieses wunderbaren Brennstoffes gehörte zu der Ausrüstung, die sie mit sich führten auf ihrer Reise ohne Ziel und Ende.
    Onnar zog die Stiefel an, klemmte sich seine zusammengeknautschte Schlafdecke unter den Arm und schlich auf Zehenspitzen davon. Er brauchte ein bisschen Frischluft und wollte allein sein, um nachzudenken.
    Das Tongidd-Versteck war nicht weit vom Ausgang

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