1582 - Das Kimalog
Kupfer-Zinn-Erz schmolz, und er war der Schmied, der dem glühenden Metall die Form gab.
Nachdem er einen Schritt in die Vergangenheit zurückgegangen war, durfte er auch der Entdecker der Bronze sein, und noch einen und noch einen Schritt zurück, bearbeitete er den Knochen und den Stein, um aus diesen Stoffen Schmuck oder Gebrauchsgegenstände herzustellen. Und am Ende dieses Jahres, als die Ausgrabungsstätte von Zonai sich als weiter und tief in den Boden reichender Krater präsentierte, durfte er sich als Hüter des eingefangenen und gebändigten Feuers darstellen.
In dieser kurzen Zeit hatte sich das Bild der Hauptstadt Sharinam drastisch zu verändern begonnen. Da die Linguiden ein friedliches Volk waren und im Gegensatz zu anderen Völkern der Galaxis nie Bruderkriege ausgetragen hatten, waren viele Kulturzeugnisse erhalten geblieben. Die Altstadt von Sharinam bestand zum größten Teil aus Gebäuden, die tausend Jahre und mehr alt waren.
Im Zuge der Erforschung der eigenen Geschichte wurden immer mehr dieser uralten Gebäude in Museen umfunktioniert, in denen der Linguide die Errungenschaften seines Volkes durch die Jahrhunderte verfolgen konnte. Von den Anfängen der Mechanik bis ins technische Zeitalter, von der Bezwingung der Dampfkraft über die Entdeckung der Elektrizität bis zur Spaltung des Atoms und der Bändigung der Hyperkräfte.
Von den ersten tolpatschigen Flugversuchen bis zum Vorstoß ins Weltall und der Entwicklung des überlichtschnellen Transitionstriebwerkes ... und den ersten Kimageschädigten des Hyperraums!
Dieser Abschnitt linguidischen Vorwärtsstrebens war Meilenstein und Mahnmal zugleich, denn nichts zeigte die Grenzen der Linguiden und ihren Makel deutlicher auf als die Tatsache, wie verhängnisvoll sich der Einfluß der
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Dimension auf ihr Kima auswirken konnte.
Die Geschichtsdokumente belegten, welche Bestürzung damals darüber geherrscht hatte, daß das Volk der Linguiden nicht imstande war, den Hyperraum als Medium für die überlichtschnelle Raumfahrt zu nutzen. Der Friedensstifter Sauron Alpadite hatte damals den Ausspruch getan: „Wir sind an unsere natürlichen Grenzen gestoßen. Es soll nicht sein, daß wir den Weltraum erobern. Wir müssen uns entscheiden, entweder für unser Kima oder für die Sterne."
Aber die Linguiden wollten beides. Und so setzten sie ihre Bemühungen zur Weiterentwicklung der überlichtschnellen Raumfahrt unter großen Opfern fort. Es geschah zum ersten- und zum letztenmal, daß man sich dem Rat der Friedensstifter widersetzte und gegen ihren Willen und auch gegen die natürlichen Grenzen das Projekt der überlichtschnellen Raumfahrt weiter betrieb.
Und der Erfolg gab den Weltraumpionieren recht. Denn eines Tages gelangte eine der Expeditionen zum Raumschiffsfriedhof Assih-Barang und kehrte mit dem Metagravtriebwerk zurück. Damit stand den Linguiden das Tor zu den Sternen offen, denn diese Methode der überlichtschnellen Raumfahrt wirkte sich nicht nachteilig auf ihr Kima aus.
Zu diesen Museen, die über die technische Entwicklung des linguidischen Volkes Auskunft gaben, gesellten sich andere, die Zeugnis über die Arbeit der Geschichtsforscher ablegten und die prähistorische Geschichte bis zurück in die Steinzeit vor rund 8000 Normjahren belegten.
Doch danach stießen die Prähistoriker ins Leere. Es gab keine Relikte aus der Zeit davor.
Adonor hatte einige Objekte geschaffen, die die Evolution der Linguiden anschaulich darstellten und die Zugang in die entsprechenden Museen gefunden hatten. Doch plötzlich stand er, zusammen mit den anderen Geschichtsforschern, vor dem Nichts. Ihre atemberaubende Zeitreise endete 8000 Jahre in der Vergangenheit.
Die Planetenkundler fanden auch einen möglichen Grund dafür heraus. Vor 10 000 Jahren war Lingora von einer planetaren Katastrophe heimgesucht worden. Irgendein kosmisches Ereignis hatte die Planetenachse kippen lassen und so für eine Umschichtung der Landmassen und eine planetenweite Flut gesorgt. Durch diese Katastrophe war alles Leben des Planeten gefährdet worden, und unter den Wissenschaftlern setzte sich die Theorie durch, daß damals alle Säuger dieser Welt den Tod gefunden hatten, die als die Vorfahren der Linguiden hätten gelten können.
Vielen Forschern war diese Erklärung für das „fehlende Glied" der linguidischen Evolution zu dürftig. Zu diesen unzufriedenen Skeptikern gehörte auch der Geschichtsforscher Sando Genard.
Adonor Cyrfant und Sando Genard
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