1582 - Herr der Unterwelt
geben. Wie ich zwischen den Zeilen heraushörte, müssen die Bewohner die Sache selbst in die Hände genommen haben.«
Ich bekam große Augen. »Also Selbstjustiz?«
»Ich gehe davon aus. Mir wurde jedenfalls gesagt, dass sich die Dinge erledigt hätten.«
»Bis heute«, sagte ich.
»So ist es. Ich erhielt einen Anruf, dass Willow wieder da ist und schon sein erstes Oper gefunden hat. Keinen Mann aus dem Dorf. Es ist ein junger Tourist gewesen. Sein Name war Eric Taylor. Er ist auf die gleiche Weise getötet worden, wie es dieser Willow damals getan hat. Seine Kehle war zerfetzt, und auf der Stirn war Willows Zeichen eingraviert. Ein großes W.«
»Okay, verstehe. Haben die Bewohner des Ortes denn die Kollegen geholt?«
»Klar.«
»Und?«
»Nichts, John, gar nichts. Sie haben den Mörder nicht gefunden, und die Bewohner haben den Mund gehalten. Sie haben auch nichts von der Vergangenheit erzählt, da halten sie alle zusammen.« Bill hob den rechten Zeigefinger. »Oder es ist die Angst vor der Zukunft, die sie zusammenschweißt. Sie rechnen damit, dass es nicht der einzige Tote bleibt, denn es herrscht die Meinung vor, dass Willow zurückgekehrt ist, um sich grausam zu rächen.«
»Als Toter?«
»So muss man es sehen, John.«
Ich sagte nichts. Dafür ließ ich meinen Blick durch den Garten schweifen, in dem wir saßen. Eine Augustsonne schien vom beinahe wolkenlosen Himmel. Es war nicht zu heiß, und man konnte sich draußen wirklich wohl fühlen.
Ich griff zum Bierglas und ließ die kühle Flüssigkeit in meine Kehle laufen. Einige Fingerfoods standen auf dem Tisch zwischen uns. Sheila hatte sie uns noch hingestellt, bevor sie mit zwei Freundinnen weggegangen war. Sie wollten irgendein Theaterstück besuchen, das Bill an diesem Abend nun wirklich nicht interessierte.
Ich stellte das Glas wieder zurück auf den Tisch.
»Wir müssen also davon ausgehen, dass wir es bei dem Täter mit einem Toten zu tun haben.«
»Ja, das denke ich.«
»Einem killenden Zombie.«
»Wenn du so willst, John.«
»Und davon bist du überzeugt?«
»Ja.«
Ich nahm einen Happen so groß wie ein halbes Sandwich. Zwischen den beiden Hälften lagen verschiedene cremige Käseschichten aufeinander.
Erst als ich es zerkaut und hintergeschluckt hatte, stellte ich die nächste Frage.
»Wer hat dir denn Bescheid gegeben?«
»Eine Frau, John. Eine alte Frau. Sie heißt Kate Fry.«
»Und sie ist für dich glaubwürdig?«
»Klar. Außerdem habe ich mich noch an sie erinnern können. Mein Einsatz damals liegt zwar schon lange zurück, aber die ersten beruflichen Dinge vergisst man nicht so leicht. Denk nur mal an deinen ersten Fall mit diesem Orgow.«
»Ist schon klar.« Ich lächelte Bill an. »Auch wenn es lange her ist, aber wir haben uns damals schon gekannt, oder?«
»Klar.«
»Und ich weiß nichts davon.«
Bill wiegte den Kopf. »Soll ich mich dafür jetzt noch entschuldigen? Du bist damals noch nicht richtig im Job gewesen, und bei mir war es auch die Probezeit. Ich war damals noch heißer auf irre Storys als heute. Außerdem musste ich mich beweisen, und dabei bin ich oft ins kalte Wasser gesprungen.«
»Wenn du der Frau glaubst, dann willst du sicher auch hin, nehme ich an.«
Bill grinste. »Darauf kannst du Gift nehmen.«
»Lieber nicht.«
»Und ich will auch nicht allein nach Gilfach fahren, denn ich denke, dass wir zu zweit mehr erreichen können.«
»Ach«, sagte ich, »das ist mir aber neu.«
»Hör auf zu spotten. Bist du dabei oder nicht?«
Ich stöhnte auf, verschränkte die Hände hinter dem Kopf und lehnte mich zurück. »Du kannst einem Menschen auch wirklich den schönsten Abend verderben, Bill.«
»Bist du dabei oder nicht?«
»Konnte ich dir schon jemals einen Wunsch abschlagen?«
»Nicht, dass ich mich erinnern könnte«, erwiderte Bill grinsend.
»Dann bin ich dabei…«
***
Obwohl Grace Taylor bereits seit zwei Tagen in Gilfach wohnte - sie hatte sich in einem kleinen Zimmer eingemietet - war sie noch immer nicht akzeptiert worden. Wem sie auch begegnete, sie wurde stets schräg angesehen.
Sie war eben die Fremde, und kein Dorfbewohner wusste so richtig, weshalb sie gerade hier Station gemacht hatte.
Aber Grace wusste es. Und sie hatte einen wahrhaft triftigen Grund gehabt, nach Gilfach zu kommen, denn hier war ihr Bruder brutal ermordet worden, und niemand hatte den Killer finden können.
Die Polizei hatte es nicht geschafft, und sie war zudem auf eine Mauer des Schweigens gestoßen,
Weitere Kostenlose Bücher