1585 - Monsterfahrt
mehr in ihren Sitzen hingen, als dass sie saßen.
Es ging weiter in die Einsamkeit hinein. Nichts änderte sich, auch der Himmel blieb gleich. Er wirkte auf ihn wie ein weites blaugraues Feld, über das hin und wieder lange Wolkenstreifen zogen. Ab und zu segelte ein Vogel durch die Luft auf der Suche nach Beute.
Der alte Motor tat es noch immer, auch wenn er sich nicht gut anhörte. Manchmal hörte es sich an, als würde er verrecken, aber er hatte noch nie versagt, und er hoffte, dass das auch noch Jahre so anhalten würde.
Durch das halb geöffnete Fenster an der linken Seite drang die kühler gewordene Luft in den Wagen. In den letzten Tagen war es noch recht warm gewesen, als wollte der Sommer beweisen, dass es mit ihm noch längst nicht zu Ende ging.
Karl Donkow war mit den Gedanken bei sich zu Hause. Er dachte an seine Frau, an seine schon erwachsenen Kinder und an seine Mutter. Sie alle wohnten unter einem Dach in diesem Haus, das er durch einen Anbau vergrößert hatte und das mitten in einem großen Obstgarten stand.
Es war einfach herrlich, dort zu wohnen, und Donkow hätte mit keiner Komfortwohnung in der Stadt tauschen wollen.
Der ländliche Vorort von Schwedt gefiel ihm. Und immer wenn er aus dem Dachfenster schaute und die Plattenbauten in den Himmel ragen sah, freute er sich über seine einsame und naturverbundene Wohnstatt.
Erneut verließ er ein Waldstück.
Rechts und links breitete sich grünes Brachland aus. Kein Mensch war zu sehen, kein Fahrzeug kam ihnen entgegen.
Die Hälfte der Strecke lag hinter ihm. Über die Grenze zu fahren war kein Problem mehr. Zudem kannte man ihn und die sechs Arbeiter.
Alles war im grünen Bereich, alles war völlig normal, und nie wäre er auf die Idee gekommen, dass etwas Schreckliches und Grauenhaftes geschehen könnte.
Und doch schlug das Schicksal gnadenlos zu.
Dabei begann es harmlos, denn hinter einer Kurve, an die sich erneut ein Waldstück anschloss, lag ein Baum quer über der Fahrbahn. Das war zwar ärgerlich, weil er sie an der Weiterfahrt hinderte, aber kein unlösbares Problem. Zudem war der Baum nur mit seiner Krone auf die Straße gekippt, der Stamm lag am Rand.
Karl Donkow fuhr langsam auf das Hindernis zu. Er suchte nach einer freien Stelle, wo er es eventuell passieren konnte, aber das war nicht möglich. Hätte er es versucht, wäre er im Graben gelandet, und das wollte er seiner alten Schaukel beim besten Willen nicht zumuten.
So hielt er an.
Der Bremsvorgang unterbrach die Schaukelfahrt, an die sich die Männer gewöhnt hatten, und sofort wachten einige von ihnen auf.
Auch der Vorarbeiter, der in Donkows Nähe saß.
»Was ist los?«
Karl lachte kratzig. »Wir müssen raus.«
Paul rieb seine Augen.
»Aber wir sind noch nicht da.«
»Nein. Schau dir den Baum an, der vor uns auf der Straße liegt. Den müssen wir wegräumen.«
»Scheiße!«
Donkow öffnete die Tür.
»Ich weiß. Ist aber nicht anders zu machen.« Er stieg aus und hörte, wie der Vorarbeiter seine Leute informierte, die jetzt allesamt erwacht waren.
Einige schimpften, andere nahmen es stoisch hin, und Karl ging so weit vor, bis seine Beine die ersten Zweige berührten.
Es war still geworden. Er hatte auch nichts anderes erwartet, wäre nicht etwas geschehen, das ihn irritierte.
Es war ein ungewöhnliches Geräusch. Ein heftiges Atmen oder nur leicht unterdrücktes Keuchen, das ihn von der linken Seite erreichte, wo der Wald sehr dicht war und das letzte Tageslicht nicht mehr hinreichte.
Was lauerte dort?
Als er sich die Frage stellte, rann ein eisiger Schauer über seinen Rücken. Normalerweise hätte er darüber gelacht, doch in dieser Umgebung kam ihm dieses Geräusch unheimlich und düster vor. Es passte nicht in den Wald, es klang so unheimlich, als würde sich innerhalb des dichten Unterholzes etwas verbergen, das gierig auf Beute lauerte.
Karl Donkow drehte den Kopf nach links.
Er sah nichts, so sehr er sich auch anstrengte. Dafür hörte er hinter sich die Stimmen der Arbeiter.
Sie alle waren ausgestiegen, und sie sprachen so laut, dass ihre Stimmen das unheimliche Geräusch übertönten.
Donkow wurde von Paul angesprochen. Die Worte sorgten dafür, dass er die unheimlichen Geräusche verdrängte.
»Was ist mit dir?«
Karl entschied sich blitzschnell dafür, nicht die Wahrheit zu sagen. Er wollte sich nicht zum Gespött machen.
»Nichts, ich habe nur nachgedacht.«
»Über den Baum?«
Der Fahrer war froh über die Vorlage. »Ja, über was
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