1587 - Rebellion der Sterblichen
Bevollmächtigte. Ich weiß, so etwas hat es früher nicht gegeben. Aber Balasar Imkord und Onida Cartis haben für uns alle angeordnet, daß jedes Haus von einem Bevollmächtigten zu führen ist."
Hagea glaubte, ihren Ohren nicht zu trauen. Doch genau das paßte voll und ganz zur neuen Linie. „Was hat ein Bevollmächtigter zu tun?" wollte Alaresa wissen. Mit ihrer struppigen Gesichtsmähne wirkte sie regelrecht angriffslustig. „Er registriert, wer im betreffenden Haus wohnt, stirbt oder geboren wird. Außerdem wird festgehalten, welchen Tätigkeiten die Bewohner nachgehen. Darum möchte ich auch euch bitten. Damit ich das elektronische Buch führen kann."
„Deine Bitte ist abgelehnt."Alaresa Anceott unternahm nicht den geringsten Versuch, Slocum durch geschickte Wortwahl auf ihre Seite zu ziehen. „Du kennst mich, ich bin eine Friedensstifterin. Und du wirst nicht im Ernst von mir verlangen wollen, daß ich über mein Tun Auskunft gebe. Des weiteren empfehle ich dir, deine Stelle als Bevollmächtigter unverzüglich aufzugeben. Sage das auch den anderen Bewohnern weiter. In einem Haus, in dem irgendeine Form von Kontrolle besteht, möchte ich nicht leben." Und etwas sanfter setzte sie hinzu: „Kein Linguide möchte das, oder?"
Damit ließen sie Slocum stehen.
Der Mann wirkte völlig verwirrt. Aber vielleicht hatte Alaresa ihn zum Nachdenken gebracht. Ganz sicher sogar, dachte Hagea dann, weil nämlich Alaresa ihre Worte mit dem richtigen Maß an Körpersprache unterstützt hatte.
Binnen einer halben Stunde hatten sie sich eingerichtet. Die Zimmer wurden verteilt, die Kleinsyntronik aufgestellt. Wohl erregte die Anwesenheit dreier Friedensstifterinnen Aufmerksamkeit. Zwei Männer hatten die Unterhaltung mitbekommen, die Nachricht hatte sich wie ein Lauffeuer verbreitet. Doch ein gewisser Abstand zu ihnen blieb immer gewahrt.
Hagea machte sich ernsthaft Sorgen deswegen. Früher wären die Linguiden mit kleinen und großen Sorgen zu ihnen gekommen, und die Friedensstifter hätten ihnen Hilfe gewährt.
Heute jedoch vertrauten die Leute lieber ihren Schlichtern.
Hagea sah nachdenklich aus einem Fenster. Dies war der achte Stock. Sie hatte einen weiten Blick von hier aus. In nördlicher Richtung breitete sich ein stilles Feld von etwa einem Quadratkilometer Durchmesser aus, wo viele Linguiden ihre Kima-Sträucher gepflanzt hatten. Solange nicht auch dort Fälle von Riesenwuchs vorkamen, solange die Pflanzen gediehen und ihre Form behielten, solange war alles noch zu retten.
Dazu aber brauchten sie Erfolg.
Noch am selben Tag schickten sie ihre Schüler aus, um über das Leben unter den Stadtbewohnern Daten zu sammeln.
Hagea schlief sehr unruhig. Allein daran erkannte sie, wie sehr die Entwicklung sie belastete. Früher hatte sie immer tief und erholsam geruht, im Frieden mit sich selbst und allen anderen Wesen.
Das war nun vorbei. Sie stand mit Kopfschmerzen auf.
Dennoch wartete auf sie ein hartes Pensum. >Die Einrichtungen des zentralen TV-Senders von Sharinam besichtigten sie noch am selben Morgen. Es handelte sich um ein langgestrecktes, flaches Gebäude am Rand der Altstadt.
Es sah modern und sauber aus, und aus dem Dach ragte ein transparent verkleideter Turm von zweihundert Metern Höhe.
Darin ballte sich ein Gespinst von silbrigen Fäden zu einem Knäuel, das ohne Stütze nie gehalten hätte. Ein moderner Hypersender, wahrscheinlich eine Konstruktion der Tentra-Blues. Von dort bezog ihr Volk noch immer einen Großteil seiner technischen Ausrüstung.
Bei ihr war nur Alaresa. Nonari hatte sich auf Erkundungsfahrt durch Sharinam begeben. „Was ist euer Wunsch?"
Hagea starrte den Roboter am Eingang ein paar Sekunden wortlos an. Dann erst begriff sie, daß die Frage aus einem unsichtbaren Lautsprecher gekommen war. „Wir sind Hagea Scoffy und Alaresa Anceott. Wir wollen den Sender besichtigen.". „Bitte einen Augenblick."
Zwei Minuten später tauchte der technische Leiter des Gebäudes auf. Er entschuldigte sich wortreich für die Wartezeit. Persönlich führte er sie mehr als drei Stunden lang mit unglaublichem Eifer durch die Anlagen.
Hagea und Alaresa besichtigten mit besonderem Interesse die Senderäume. Sie registrierten peinlich genau, welche Möglichkeiten es gab, laufende Sendungen zu unterbrechen.
Und zwar konnte dies ohne Zeitverlust jederzeit geschehen. Es gab sogar eine zentrale Schaltung, nur den Friedensstiftern des herrschenden Triumvirats und Onida Cartis zugänglich.
Den
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