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159 - Schimären der Wüste

159 - Schimären der Wüste

Titel: 159 - Schimären der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael M. Thurner
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dabei?«
    »Drei Mal!«, sagte sie stolz. »Ich durfte ganz vorne sitzen…«, – jäh klang ihre Stimme gepresst –, »… bevor Rium’li die Familie ins Unglück stürzte.«
    Der Schmerz über den Verrat der Schwester war deutlich spürbar; der über die Grausamkeiten Moogans hingegen nicht.
    »Wie hat es dir oben gefallen?«, bohrte Aruula nach.
    »Wie meinst du?«
    »Die Luft. Der Himmel. Die Sonne, der Sand, die Felsen, die Natur…«
    »Es war… es war …«
    »Ja?«
    Das Mädchen hatte seine Waschung beendet, stand auf und trat ein wenig näher ans trübe Licht. Sie blickte Aruula tief in die Augen.
    »Es war anders als hier.«
    »Schlechter oder besser?«
    »Ich kann es nicht sagen…«
    »Komm schon! Du willst es nur nicht zugeben!« Aruula trat vor, packte Sta’sy an den Armen, fixierte sie. »Denk nach! Was hast du gefühlt, als die Sonne auf deinen Körper schien? Als frische Luft und so viel Raum um dich war? Gib zu, dass du das wahre Leben gesehen hast, gib’s endlich zu!«
    Aruula hatte sich in Rage geredet und rüttelte das Mädchen kräftig durch. Sta’sy leistete kaum Widerstand. Ihr Körper wirkte ausgemergelt und entkräftet. Wahrscheinlich litt sie seit ihrer Geburt am Entzug all jener Dinge, die ein natürliches Leben ausmachten. Gesunde Ernährung, Sonne, Luft.
    »Hör endlich auf!«, schluchzte Sta’sy schließlich und versuchte sich Aruulas Händen zu entziehen. »Ja – es war wunderschön, und ich habe jeden Moment genossen.« Sie fiel schwer auf die Knie. »Oh – wie ich es hasste, wieder hierher in die Kruste zurückkehren zu müssen; in dieses ewige Halbdunkel, das einen auslaugt und krank macht und umbringt…«
    Aruula bückte sich zu ihr, streichelte ihr besänftigend über den verhüllten Kopf. »Ist schon gut, meine Kleine. Wir werden einen Weg finden, um dich und die anderen Frauen nach oben zu schaffen. Es muss einen Weg geben, um diesen seltsamen Bann zu brechen, den Moogan über euch gelegt hat. Dieses Wesen, was immer es auch ist, kann nicht allmächtig sein…«
    »Doch«, gab Sta’sy völlig entkräftet zur Antwort. »Moogan weiß alles, und er sieht alles.«
    »Du irrst dich, meine Kleine. Was wir hier und jetzt besprochen haben, wird er zum Beispiel nie erfahren…«
    »Er weiß es schon«, unterbrach die Schimärin Aruula tonlos. »Er hat mir bereits in meinem Kopf gesagt, dass ich für meine bösen Gedanken zusätzlich büßen werde.«
    ***
    Aruula wälzte sich unruhig auf ihrem engen Schlaflager hin und her. Sie war um gut zwei Handbreit größer als Sta’sy und passte kaum in die Wombos-Schale, deren Innenseite zugegebenermaßen bequem gepolstert war. Eine naturbelassene Speckschicht, die mit einer Art Lasur aus Quallenfett behandelt worden war, schaffte eine Bequemlichkeit, die ihr an diesem Ort seltsam deplaziert vorkam.
    Die Schimärin schnarchte leise neben ihr in der zweiten Schlafmulde. Dann und wann zuckte sie zusammen. Albträume schienen sie zu verfolgten. Kein Wunder nach all dem, was Aruula bislang in Erfahrung gebracht hatte.
    Sie überlegte, ob sie jetzt, mitten in der »Nacht«, einen Fluchtversuch wagen sollte. Niemand schien vor dem Krustenhaus Wache zu halten. Der so genannte Herr der Schimären zeigte demonstratives Selbstbewusstsein und kümmerte sich nicht weiter um Aruula. Vielleicht wollte er auch, dass sie davonlief. Vielleicht fand er den Gedanken erregend, sie zu jagen.
    Nein! Sie würde ihm nicht ins offene Messer laufen.
    Abgesehen davon widerstrebte ihr eine Flucht. Aruula wünschte die direkte Konfrontation.
    Sollte sie sich aufmachen und Moogan suchen? Doch wie ihn finden – ohne Anhaltspunkte, ohne Unterstützung durch die geplagten Menschen dieses Volkes?
    Unter keinen Umständen mochte sie die Schimären im Stich lassen. Also verwarf sie alle Gedanken, die sich mit dem Entkommen beschäftigten, und setzte sich stattdessen mit dem Charakter Moogans auseinander. Je besser man sein Gegenüber kannte, desto leichter war er zu bekämpfen.
    Moogan konnte also Gedanken lesen, und er konnte seine eigenen in die Köpfe seiner Untertanen pflanzen.
    War dies schon alles? Reichte das aus, um die Schimären derart unter Druck zu setzen, dass sie alles vergaßen und ihren natürlichen Lebensraum der Bruchsteppe aufgaben?
    Da musste weitaus mehr dahinter stecken.
    Warum hatte Moogan noch nicht in ihren Gedanken herumgekramt? War sie dank ihrer eigenen Begabung zum Lauschen davor geschützt? Oder hatte er bislang darauf verzichtet, um sie

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