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159 - Schimären der Wüste

159 - Schimären der Wüste

Titel: 159 - Schimären der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael M. Thurner
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Handbreit größer als sie, von aufrechter, stolzer Haltung, und er strahlte Faszination aus, die Aruula in diesem Ausmaß nicht einmal bei Maddrax verspürt hatte. Sein feines, ebenmäßiges Gesicht wirkte offen und ehrlich. Die tiefen Falten auf seiner Stirn und um die Mundwinkel ließen ihn keineswegs alt, sondern… interessant wirken.
    Unter anderen Umständen, so musste sie zugeben, hätte sie sich Moogan augenblicklich an den Hals geworfen.
    Warum tat sie es dann nicht?
    Moment mal!
    Aruula zögerte, schüttelte verärgert den Kopf. Was stellte Moogan mit ihr an? Mühsam rief sie sich in Erinnerung, was sie eben erst, vor wenigen Minuten, unten in der Kruste gesehen und erlebt hatte. Moogan mochte wie ein Gott in Menschengestalt aussehen – aber das sagte nichts über seinen Charakter aus!
    »Dein Name ist also Aruula? Wie bezaubernd! Darf ich dir ein paar Früchte anbieten?« Moogan marschierte vor ihr, mit dem Gang eines jungen, kraftvollen Mannes. Er reichte ihr eine Art Zitrusfrucht.
    Argwöhnisch roch Aruula daran, bevor sie die Schale entfernte und vorsichtig hinein biss. Es schmeckte wie… wie…
    »Die Schimären nennen dieses Obst Götterspeise«, sagte Moogan. »Sein Geschmack wechselt von sauer zu süß und hinterlässt einen angenehm bitteren Nachgeschmack. Die Früchte wachsen in einem entlegenen Tal unweit von hier. Sie werden von meinen treuen Männern gepflegt und gezüchtet.«
    Er nahm sich eine weitere Frucht und biss ebenfalls hinein.
    Sein weißes, makelloses Gebiss leuchtete im Fackellicht.
    »Wir sollten die Missverständnisse zwischen uns so rasch wie möglich klären, meinst du nicht?« Er tupfte den Saft der Götterspeise mit einem bereitgelegten Tuch von den Lippen.
    »Wenn ich dir davon erzähle, was ich mit den Schimären vorhabe, wirst du mir sicherlich zustimmen, dass ich in bester Absicht handle und niemandem etwas zu Leide tun möchte. Im Gegenteil: Ich bin froh über jegliche Form der Unterstützung und würde mich freuen, wenn du für eine Weile mein Gast bleiben würdest.«
    Das Angebot klang verlockend, zumal es aus dem Mund dieses Gottes der Schönheit stammte. Sein perfekt geformter Körper, der edel gestutzte Schnurrbart, die samtene, leicht getönte Haut…
    Haut.
    Die Erinnerung kehrte mit einem Mal zurück, überdeckte all das Prachtvolle, das Aruula hier zu sehen bekam. Sie dachte an Sta’sy, die wahrscheinlich im Vorraum bei den beiden Wächtern wartete und die die Haut ihrer Mutter trug.
    »Ist es bei den Schimären denn Sitte, seine Gäste wie Gefangene zu behandeln?«, fragte sie und konzentrierte sich mit aller Kraft auf einen Punkt an der Wand hinter dem Mann.
    »Haben mich meine Augen betrogen, als sie das Elend und Leid hier in der Kruste gesehen haben… oder spielst du etwa ein falsches Spiel, Moogan?«
    Sie blickte ihm erneut in die Augen, suchte nach Zeichen des Erschreckens oder des Ärgers.
    Nichts. Moogan hatte sich perfekt unter Kontrolle.
    Wusste er vielleicht nicht, was um ihn herum vorging?
    Lebte er in einer Traumwelt? War er mehr Opfer als Täter?
    Dieses unschuldige Gesicht konnte unmöglich…
    Halt! Erneut rief sich Aruula zur Ordnung.
    »Ich spiele niemals«, gab Moogan nach einiger Zeit des Überlegens zur Antwort. »Es ist mir ein überaus wichtiges Anliegen, dass es allen gut geht. Ich unternehme nichts, was den Schimären schaden könnte. Wenn du mir zuhören würdest, könnte ich alles erklären…«
    »Da gibt es nichts zu erklären!«, unterbrach Aruula ihn mit aller Heftigkeit, die sie noch aufzubringen vermochte. »Du müsstest blind sein, um die Situation in der Kruste zu verkennen.«
    Moogans Lächeln vertiefte sich, »Du siehst, was du sehen willst, meine Liebe. Doch manchmal trügt der Schein. Wenn du mir ein klein bisschen Vertrauen entgegen brächtest…«
    »Nein!« Aruula schüttelte den Kopf, drängte die Benommenheit und Verwirrung weiter in den Hintergrund.
    »Ich weiß, was ich gesehen habe. Und ich weiß, dass ich Recht habe.«
    »Du hast eine starke Persönlichkeit.« Er seufzte und zuckte mit den Schultern. »So eine Partnerin habe mir immer gewünscht. Aber derzeit ist dafür kein Platz in meinem Leben.« Moogan strahlte sie an, und er überdeckte damit beinahe das Licht und die Reflektionen der Fackeln. »Ich glaube dennoch, dass wir recht bald einer Meinung sein werden.« Er klatschte laut in die Hände. Geräuschvoll öffnete sich das Tor, durch das Aruula den Raum betreten hatte.
    Die schweren Schritte der

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