1591 - Beschützer aus dem Jenseits
einzigen Lichtquellen waren die hellen Fenster im Haus.
Johnny ging schweigend neben mir her. Er hielt den Kopf gesenkt, als gäbe es auf dem Boden etwas Besonderes zu sehen. Wahrscheinlich war er mit seinen Gedanken voll und ganz beschäftigt, was ich natürlich verstehen konnte.
»Da kommt noch was auf uns zu, John«, flüsterte er.
»Meinst du?«
»Ja. Wenn ich mir vorstelle, was da passiert ist, dass es zwei Tote gegeben hat und dann noch, wer seine Mörder gewesen sind, das kriege ich kaum in die Reihe. Du weißt ja selbst, was ich schon alles erlebt habe, aber das hier…« Er schüttelte den Kopf. »Darüber muss ich erst mal hinwegkommen, verstehst du?«
»Sicher.« Ich schlug ihm auf die Schulter. »Mach dir nicht zu viele Gedanken, wir werden erst mal hören, was uns diese Alma zu sagen hat. Dann sehen wir weiter.«
»Und da gibt es noch eine Frau.«
Die sahen wir wenig später, denn sie hatte uns gesehen, die Tür geöffnet und stand jetzt im Licht aus dem Flur vor uns, wobei sie uns aus großen Augen entgegenschaute.
Es war keine junge Frau mehr, die uns erwartete. Sie hatte bereits die Mitte des Lebens überschritten. Ob die dunkle Haarfarbe echt oder gefärbt war, konnte ich nicht erkennen. Jedenfalls hätte der kurze Schnitt auch zu einem Mann gepasst. Sogar ein Scheitel war vorhanden.
Bekleidet war sie mit einer dunklen Hose und einem helleren Pullover, der ihr bis über die Hüften reichte.
Ich stellte Johnny und mich noch mal vor und reichte ihr zugleich meinen Ausweis, den sie sich sorgfältig anschaute. Wir erfuhren auch ihren Namen. Sie hieß Frenchy Ford.
»Dürfen wir eintreten?«
»Bitte.«
Wir betaten ein Haus, das nicht nur von außen einen modernen Eindruck machte. Das Kühle entwickelte sich allmählich wieder zum Trend.
Der Steinboden kam mir sehr kalt vor, und im recht großen Eingangsbereich gab es auch nur wenige Möbel. In der Mitte stand allerdings ein Holztisch und auf ihm eine große Vase mit Blumen, ein Herbststrauß.
»Darf ich fragen, warum Sie Alma sprechen wollen?« Die Frau ließ dabei Johnny nicht aus den Augen.
»Sie sind nicht verwandt mit der Familie Davies?«
»Nein, ich bin so etwas wie eine Haushälterin, wenn ich diesen alten Ausdruck gebrauchen darf. Allerdings auch eine Pflegerin für die Tochter Alma. Ihre Eltern sind beruflich oft unterwegs.«
»Kann man sagen, dass sie reich sind?«
Frenchy Ford zuckte zusammen.
»Meinen Sie nicht, dass die Frage ein wenig zu intim ist?«
»Nicht in diesem Fall. Wir müssen vom Versuch einer Entführung ausgehen, bei der es zwei Tote gegeben hat. Genau darüber müssen wir dringend mit Alma sprechen.«
Es war zu sehen, dass Frenchy nach einer Ausrede suchte, sie aber nicht fand.
Johnny sagte: »Ich kenne Alma. Sie wird bestimmt mit mir sprechen wollen.«
»Und wenn sie schläft?«
»Glauben Sie das wirklich? Nach allem, was geschehen ist? Oder wollen Sie uns bewusst von ihr fernhalten?«
Die Frau bekam einen roten Kopf. Dann nickte sie und drehte sich zur Seite. »Kommen Sie bitte mit.«
»Geht doch«, flüsterte Johnny mir zu.
Wir gingen hinter Frenchy Ford her, die sich so steif bewegte wie eine ältere Gouvernante. Es war hell genug, aber auch das Licht der modernen Lampen gab keinen gemütlichen Schein ab. Es blieb alles sehr unterkühlt, woran man sich erst gewöhnen musste.
Wir passierten eine frei schwebende Treppe und hielten wenig später vor einer Tür an.
Frenchy Ford tat noch nichts, und Johnny sagte: »Wollen Sie nicht anklopfen oder öffnen?«
»Ja, ja, entschuldigen Sie.«
Sie klopfte an, und wir hörten auch die Antwort jenseits der Tür. Nur klang sie nicht so, dass wir vor Freude in die Luft gesprungen wären.
Wir hörten so etwas wie einen gepressten Laut.
Johnny, der es besonders eilig hatte, zog die Tür auf und blickte in ein erleuchtetes und auch geräumiges Zimmer.
Aber er und jetzt auch ich sahen noch mehr.
Eine junge Frau, die vor ihrem Rollstuhl auf dem Boden lag…
***
Ich wusste nicht, wer den Schrei ausgestoßen hatte. Wahrscheinlich war es Johnny gewesen, denn im Gesicht von Alma Davies hatte sich nichts verändert. Es zeigte nach wie vor einen verzweifelten Ausdruck, als litte sie unter starken Schmerzen.
Johnny reagierte sofort. Er lief zu ihr und ging neben ihr in die Knie.
»Hast du dich verletzt?«
»Nein«, flüsterte Alma, »ich glaube nicht.«
»Gut, ich helfe dir hoch.«
»Nein, das übernehme ich!«, meldete sich Frenchy Ford mit einer strengen
Weitere Kostenlose Bücher