1591 - Beschützer aus dem Jenseits
helfen wollen und…«
»Er ist ein Zeuge!« Die Antwort war Alma so vorgekommen, als hätten drei Stimmen zugleich gesprochen.
»Ist das schlimm?«
»Ja, das weißt du. Wir wollen keine Zeugen, das haben wir dir gesagt. Und dabei bleibt es.«
Das wollte Alma nicht. Wäre es irgendeine andere Person gewesen, sie hätte vielleicht zugestimmt. Wie bei diesem dritten Mann, der geflohen war. Aber nicht bei dem jungen Mann, der Bich ihr als Johnny Conolly vorgestellt hatte. Ihre Begegnung hatte nur Minuten gedauert, und doch war sie sich absolut sicher gewesen, dass Johnny Conolly es ehrlich mit ihr gemeint hatte.
»Bitte, er hat nichts Böses getan.«
»Das wissen wir.«
»Dann ist ja alles gut.«
»Es geht hier um andere Dinge. Von deiner Einmaligkeit soll niemand etwas wissen. Oder möchtest du, dass wir uns zurückziehen und dich allein in deinem Leben lassen?«
»Nein, bitte nicht.«
»Dann halte dich an die Regeln.« Alma wusste, dass sie ihre drei Beschützer nicht umstimmen konnte. Sie würden keine Kompromisse kennen.
Sie hatten sich zu etwas entschlossen und blieben dabei. Es hatte keinen Sinn, wenn sie ihnen widersprach, und so nickte sie.
»Bleib in deiner Umgebung, das ist am besten. Denk immer daran, dass du nicht unbedingt auf deinen Rollstuhl angewiesen bist, solange wir dich beschützen.«
»Dafür bin ich euch auch dankbar.«
»Und wir freuen uns, dass wir es dürfen.«
Der kleine Streit war bereinigt, aber nicht vergessen. Zumindest nicht für Alma Davies. Was in dieser Nacht geschehen war, das würde seine Folgen haben, dessen war sie sich sicher.
Sie drehte sich vor der Tür nach rechts und ging mit völlig normalen Bewegungen durch das Zimmer. So wie sie es auch vor ihrem Unfall getan hatte, an dessen Folgen sie durch ihre Lähmung ein Leben lang zu leiden hatte.
Sie hatte vor zwei Jahren auf einem Motorroller gesessen, als der Wagen gekommen war, der ihr die Vorfahrt genommen hatte. Ein rücksichtsloser Fahrer, der zudem noch Fahrerflucht begangen hatte und nie ermittelt worden war.
An den Unfall selbst hatte sie keine Erinnerung mehr. Nur an die schrecklichen Wochen in der Klinik mit dem Wissen, dass sie nie wieder normal würde gehen oder sich bewegen können.
Momentan dachte sie nicht daran. Da ging sie durch ihr großes Zimmer wie eine normale Frau, der nichts wehtat. In der Tat spürte sie nichts.
Kein Ziehen und keine Schmerzen. Die Kraft der drei sie beschützenden Geister hatte dafür gesorgt.
Und sie blieben auch jetzt in ihrer Nähe. Es war nichts von ihnen zu hören. Da gab es nur die angenehme Kühle, die sie empfand, wenn die Gestalten näher kamen.
Sie ging überall hin. Fasste alles an. Strich über ihre Bilder, berührte das Poster, auf dem die Rocksängerin Tina Turner abgebildet war.
Sie reckte sich und streckte dabei ihre Hände auch gegen die Decke, als wollte sie diese berühren, was sie nicht schaffte, aber sie nahm im Stehen so etwas wie einen Anlauf und schnellte in die Höhe.
Jetzt stieß sie mit den ausgestreckten Fingern gegen die Decke, und es tat ihr nichts weh. Kein Ziehen der Muskeln, kein Stechen im Rücken. Es geschah alles so leicht und locker, als hätte es ihre Behinderung nie gegeben.
So sollte es immer sein. Zurück zur früheren Kindheit. Das wäre wunderbar gewesen, aber sie wusste auch, dass der innere Jubel und die Freude nicht lange anhielten.
Sie kamen auch nicht jede Nacht. Manchmal musste sie sehr, sehr lange warten, und dann kam ihr die Zeit immer doppelt so lange vor.
Auch jetzt würde der Besuch ihrer Beschützer bald ein Ende haben, das sich schon näherte.
Sie hörte den Dreiklang der Stimmen als einen. Da war jede Freundlichkeit gewichen. Sie hörten sich neutral an. Für sie fast kalt und sogar ein wenig schrill.
»Lass es!«
»Nicht weiter!«
»Hör auf!«
»Gefahr!«
Alma Davies wollte nicht. Sie schüttelte den Kopf, sie lief und sie brach zusammen, bevor sie noch ihren Rollstuhl erreichen konnte.
Hart prallte sie auf den Boden. Dabei riss sie ihren Mund auf, aber es drang kein Schrei über die Lippen.
Sie blieb liegen. Kein Gefühl mehr in den Beinen, und zum ersten Mal war sie von ihren Beschützern im Stich gelassen worden, ohne dass sie einen Grund dafür wusste…
***
Wir hatten Johnny in die Mitte genommen. Zwischen uns Polizisten musst er sich vorkommen wie ein Gefangener. Ich wusste, dass sich Bill Conolly ärgerte, dass er zurückbleiben musste, aber im Moment wollte ich keinen Ärger mit dem
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