1591 - Beschützer aus dem Jenseits
vergebens gewesen.
Trotzdem waren die Investoren noch nicht angefangen. Die Bankenkrise hatte sie vorsichtig werden lassen. So war das Vorhaben zunächst auf Eis gelegt worden, was allen Bewohnern nur recht war. Die Ruhe blieb erst mal.
Hin und wieder hob Alma ihre Hand und wischte über ihr Gesicht mit der kalt gewordenen Haut. Man konnte die Temperatur doch nicht mit der am Tage vergleichen. Da hatte die Sonne geschienen und für einen Goldenen Oktober gesorgt.
Alma wollte so schnell wie möglich nach Hause. Sie erhöhte die Geschwindigkeit ihres Rollstuhls.
Eigentlich fürchtete sie sich nicht davor, durch die Dunkelheit mit dem leicht zäh wirkenden Dunst zu fahren, doch in dieser Nacht war ein ungutes Gefühl in ihr hochgestiegen.
Sie konnte es sich selbst nicht erklären.
Aber es war vorhanden.
Bedrückend, vergleichbar mit einer dumpfen Vorahnung.
Es schien ihr, als würde ihr etwas das Herz zusammenpressen, und auch das Atmen fiel ihr plötzlich schwerer.
Irgendwelche Verfolger waren nicht zu sehen, und doch hatte sie den Eindruck, nicht mehr allein zu sein.
So gut es ging, drehte sie den Kopf.
Da war niemand, der auf sie gewartet hätte. Auch über der Mauer sah sie keinen Umriss eines Menschen, der in der nächsten Sekunde über sie hinweg gesprungen wäre, um sich auf sie zu stürzen.
Die Kreuzung tauchte vor ihr auf. Sie war nicht besonders gut zu sehen, denn ausgerechnet dort hatte sich der Dunst wie ein Schleier auf der Fahrbahn niedergelassen. Sie hielt kurz an.
Der Blick nach links. Es war okay. Dann schaute sie nach rechts. In der Nähe stand eine Laterne. Ihr Licht erreichte den Boden kaum. Dafür trieben die Schwaden durch die helle Glocke wie Dampf, der aus einem gewaltigen Kochtopf aufstieg.
Alma lenkte den Rollstuhl um die Ecke. Der Gehsteig war schmaler geworden und auch nicht mehr so glatt. An einigen Stellen wies der Untergrund Risse auf, über die die Räder mit ihren weichen Reifen rollten.
Auch das Haus ihrer Eltern stand auf der rechten Seite. Allerdings musste sie bis fast zum Ende der Straße und damit zum Wendehammer durchfahren. Das würde noch einige Minuten dauern.
Manchmal warf sie einen Blick zum Himmel hoch. Über dem Dunst breitete sich der schwarze Himmel aus. Sterne funkelten aus unendlichen Weiten. Sie sah einen Mond, der im Begriff war, kleiner zu werden. Er hatte seine Kreisform verloren und erinnerte sie an ein deformiertes Auge.
Es war noch stiller geworden. Das Abrollen der Reifen auf dem Asphalt war ihre einzige Begleitmusik. Kein Blatt wurde durch den Wind bewegt.
Sie alle klebten auf der feuchten Unterlage fest.
Es war auch kein Bewohner auf der Straße oder dem Gehsteig zu sehen.
Nur das Licht hinter manchem Fenster deutete darauf hin, dass hier überhaupt noch Menschen auf waren.
Nur vereinzelt standen Fahrzeuge am Straßenrand. Ansonsten standen die Autos der Bewohner auf den Grundstücken oder waren hinter Garagentüren versteckt.
Alma Davies erlebte eine Atmosphäre wie immer, und trotzdem schien sie ihr anders. Sie konnte nicht sagen, woran es lag. Das Gefühl war einfach vorhanden, und das Kribbeln auf ihrem Rücken nahm immer mehr zu.
Für Alma war es ein Zeichen, dass es mit ihrem Selbstbewusstsein doch nicht so weit her war. Trotz der relativen Nähe des Elternhauses fühlte sie sich nicht allzu sicher.
Dann dachte sie daran, ob sie nicht über Handy Frenchy anrufen sollte.
Es wäre eine Möglichkeit gewesen, aber sie ließ es bleiben. Es waren nicht mehr viele Meter, die sie hinter sich bringen musste. Sie wäre sich schon lächerlich vorgekommen.
Es geschah wie ein Blitzeinschlag.
Zu hören war nichts, aber plötzlich sah sie Gefahr.
Woher sie gekommen war, wusste sie nicht.
Vielleicht hatten die drei Typen hinter einem der Baumstämme gelauert und dort auf eine günstige Gelegenheit gewartet.
Jedenfalls waren sie keine Einbildung, und sie kamen direkt auf die Rollstuhlfahrerin zu. Sie gingen im Gleichschritt und nahmen dabei die gesamte Breite des Gehsteigs ein.
Alma fuhr langsamer. Ihr Herz klopfte schneller. Angst stieg in ihr hoch.
Wenn sie jetzt hätte normal sprechen sollen, es wäre ihr kaum gelungen.
Die drei Typen trafen auch keinerlei Anstalten, den Gehsteig zu verlassen. So wie sie gingen, konnten sie nur die junge Frau im Rollstuhl als Ziel haben.
Die junge Frau musste sich blitzschnell entscheiden. Über das Handy Hilfe herbeizurufen, dazu reichte die Zeit nicht mehr, denn die Entfernung schmolz immer mehr
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