1593 - Der Hexentöter
andere Feuer in sich aufgesaugt. Er ist durch es ungeheuer stark gemacht worden. So stark, dass auch ich es fürchten muss. Deshalb komme ich nicht gegen ihn an. Sein Feuer wird immer stärker sein als ich. Und daran kann ich nichts ändern.«
Jetzt wussten wir wenigstens einen Teil der Wahrheit. Leider nicht alles.
Das musste sich ändern.
»Und was ist das für ein Feuer?«, flüsterte ich Assunga zu.
»Ich weiß es selbst nicht. Es würde mich vernichten, und deshalb habe ich euch mit ins Boot geholt. Es sind keine normalen Flammen, aber wenn jemand sie stoppen kann, dann ihr. Die Verantwortung liegt bei euch. Oder wollt ihr, dass es noch weitere Tote gibt? Auch Menschen, die sich nicht zum Kreis der Hexen zählen? Könnt ihr das auf euer Gewissen nehmen?«
»Hör auf!«, fuhr ich sie an. »Du weißt genau, wie wir reagieren werden.«
Sie nannte uns den Namen des Kaufhauses.
»Mein Gott«, flüsterte Glenda, »das ist groß. Nicht auszudenken, wenn dort eine Panik ausbricht oder sich das Feuer durch die Etagen ausbreitet!« Was sie in diesen Augenblicken fühlte, zeichnete sich in ihren großen Augen ab.
»Sie arbeitet in der Kosmetikabteilung?«, fragte Suko noch mal nach.
»Ja, und ich weiß nicht, wie lange das noch alles gut geht. Deshalb meine Bitte. Versäumt keine Sekunde.«
Da hatte sie recht. Ich wollte sie noch etwas fragen, aber Assunga drehte sich schon von uns weg. Dabei öffnete sie ihren Umhang, schloss ihn wieder - und war verschwunden.
Wir schauten ins Leere und waren erst mal sprachlos.
Es war Glenda, die zuerst wieder zu sich fand.
»Ich glaube, jetzt wird es ernst«, flüsterte sie.
»Richtig.« Ich stimmte ihr zu und wandte mich an Suko. »Wir sollten keine Sekunde mehr verlieren.«
»Du sagst es, John!«
***
Gilda Green war wieder an ihren Verkauf sstand zurückgekehrt, und es ging ihr alles andere als gut. Auch das neu aufgetragene Make-up hatte ihre Blässe und ihr damit verbundenes schlechtes Aussehen nicht völlig übertünchen können. Zudem spürte sie ihre weichen Knie, und sie war froh, sich an der Verkaufstheke festhalten zu können, sonst wäre sie zusammengesunken. Hinsetzen durften sich die Verkäuferinnen nicht, obwohl Gilda das jetzt gebraucht hätte.
Die Abteilungsleiterin hatte ihre Blicke sonst überall, aber Gilda stand das Glück zur Seite, denn ihre Chefin befand sich in einer Besprechung, die noch länger andauern würde.
Kunden gab es genug. Sie schlenderten durch das von verschiedenen Düften geschwängerte Verkaufsareal, und bei dieser Luft war es schwer, sich für den einen oder anderen Duft zu entscheiden. Nicht alle blieben an den einzelnen Theken stehen, um sich zu informieren oder nach einer Probe zu fragen.
Gilda Green sollte den Duft eines französischen Modedesigners verkaufen, wobei das ganze Programm präsentiert wurde, einschließlich Shampoo und Deo.
Die Kunden kamen, schauten, sahen eine gequält lächelnde Verkäuferin und merkten nicht, wie es in deren Innern aussah.
Gilda zitterte noch immer, denn das Versprechen hing wie ein scharfes Schwert über ihrem Kopf, das jeden Augenblick herabfallen konnte, um sie zu vernichten.
Immer wieder warf sie einen Blick nach links. Dort befand sich der große Eingang. Dessen Türen waren in ständiger Bewegung. Sie schwappten auf, fielen wieder zurück, öffneten sich, und das Spiel begann von vorn.
Der Druck in ihr wollte einfach nicht weichen. Jeden Moment konnte dieser Chinok an der Tür auftauchen, um das Kaufhaus zu betreten. Der Gedanke machte sie innerlich fertig. Das Blut stieg ihr permanent in den Kopf, und sie hoffte nur, dass man es ihr nicht anmerkte.
Hin und wieder musste sie sich mit Kunden unterhalten, wobei niemand etwas kaufte. Das Zeug war einfach zu teuer. An den Tischen mit den Sonderangeboten herrschte mehr Betrieb. Es war ihr sehr recht.
Ihre Kollegin Jamie huschte heran.
»Alles in Ordnung?«
»Ja, es geht schon, Jamie.«
»Du siehst auch schon wieder etwas besser aus.«
Gilda musste lachen. »Das täuscht. Ich fühle mich einfach nur schlecht. Das ist schrecklich.«
»Das wird schon wieder vergehen.« Jamie lächelte. »Es gibt manchmal solche Tage. Das kenne ich auch.«
»Danke, du bist lieb.«
»Halte dich tapfer.«
»Ich werde es versuchen.«
Jamie zwinkerte ihr zu und huschte davon, um wieder an ihren Arbeitsplatz zu gelangen.
Die weichen Knie waren immer noch vorhanden. Trotzdem fühlte sich Gilda etwas wohler, denn die tröstenden Worte der Kollegin
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