1594 - Das Böse in dir
wunderte sich. Es wollte eigentlich nicht. Es setzte darauf, die andere Stimme noch mal zu hören, was jedoch nicht geschah. Ihr Freund hatte sich zurückgezogen.
»Und dann?«, fragte sie.
»Wir gehen ins Haus.«
»Was ist denn mit der Katze?«
Helen Miller verzog die Lippen. »Dass du danach noch fragen kannst, schlimm. Aber ich kann dich beruhigen, um die Katze werde ich mich kümmern.«
»Das ist schön.« Laurie lächelte.
Ihrer Mutter kam dieses Lächeln wie ein böses Grinsen vor. Aber sie sagte nichts. Sie wollte sich später darüber Gedanken machen.
Jetzt war es besonders fatal, dass Laurie keinen Vater hatte. Helen hatte ihre Tochter allein großgezogen. Der Vater hatte sich nie mehr blicken lassen. Und wenn sie ehrlich gegen sich selbst war, kannte sie nicht mal seinen Namen. Es war nur eine Affäre gewesen, nicht mehr.
»Steh jetzt auf und komm mit.«
»Warum?«
»Frag nicht. Ich will, dass du ins Haus gehst und in deinem Zimmer bleibst.«
»Warum?«
»Hör auf, das zu fragen. Ich habe hier das Sagen. Danach hast du dich zu richten.«
»Gut, wie du meinst.« Laurie wirkte plötzlich wie ein fröhliches Kind. Sie konnte sogar warm und herzlich lächeln, und ihre Augen glänzten dabei.
»Und dann will ich noch das Messer haben!«
Laurie Miller zuckte zusammen.
Damit hatte sie nicht gerechnet. Sie schaute von unten her in das Gesicht ihrer Mutter und glaubte, erneut die Stimme in ihrem Kopf zu hören.
Sie konnte nicht verstehen, was ihr da auf diese ungewöhnliche Weise mitgeteilt wurde, und sie umklammerte den Griff des Messers fester.
»Laurie…«
Laurie zuckte zusammen. Die Stimme der Mutter hatte sie wieder zurück in die Wirklichkeit geholt. Alles andere hörte sie nicht mehr, und sie nickte.
»Ja, hier!« Mit einer wütenden Bewegung schleuderte sie die Waffe von sich. Dicht vor Helen Millers linkem Fuß rammte die Klinge in den weichen Boden und blieb dort stecken.
»Steh jetzt auf!«
»Wie du willst, Ma.« Die honigsüße Antwort stand im krassen Gegensatz zu dem, was sie wirklich fühlte. Aber sie gehorchte und warf der toten Katze noch einen letzten Blick, zu. Für sie war es der erste Schritt eines langen Weges.
Helen Miller nahm das Messer an sich. Steif nickte sie ihrer Tochter zu.
»Komm jetzt mit. Du wirst in dein Zimmer gehen und dort bleiben. Hast du verstanden?«
»Ja. Und wie lange?«
»Das bestimme ich!« Helen musste sich noch fangen. »Und über das, was du hier getan hast, reden wir später.«
»Klar, Ma, alles später, nur später…« Laurie senkte den Kopf, damit ihre Mutter nicht ihr böses Lächeln sah …
***
Es war ein kleines Haus, das Helen von einer Tante geerbt hatte.
Dementsprechend klein waren die Räume, die sich im unteren Bereich und auch in der ersten Etage verteilten. Dort hatte Laurie ihr Zimmer. Ohne zu zögern ging sie auf die hohen Stufen der schmalen Treppe zu.
Ihr Gesicht war zu einer Maske geworden, in der das Lächeln wie einbetoniert aussah. Sie fühlte sich nicht schlecht. Da meldeten sich keine Gewissensbisse. Es war alles okay, und darüber freute sie sich sehr.
In der ersten Etage gab es keinen Gang, auch keinen Flur, nur ein begrenztes Viereck, von dem drei Türen abzweigten. Von der letzten Stufe bis zu Lauries Zimmertür war es nur ein Schritt, und bevor das Mädchen sie erreichte, drehte es sich noch mal um.
Helen Miller stand am Fuß der Treppe und schaute zu ihr hoch. Im nicht sehr hellen Licht war ihr Gesicht nicht genau zu erkennen, aber freundlich sah es bestimmt nicht aus.
Das war Laurie auch egal. Sie wusste jetzt schon, dass sie ihren Weg gehen würde, und dabei konnte sie niemand aufhalten, denn die Katze war erst der Anfang gewesen.
Wenig später war Laurie in ihrem Zimmer verschwunden. Ein Raum mit kleinen Fenstern, durch die Laurie sich nur mit Mühe hätte zwängen können, aber das brauchte sie auch nicht. Alles, was sie wollte, war in Erfüllung gegangen.
Sie setzte sich auf das Bett. Der Schneidersitz war ihr hier am bequemsten.
Sie schaute sich um, sah die kleine Glotze, den kindgerechten Tisch, an den Wänden die Poster, die allesamt eine bunte Tierwelt zeigten. Ein Sammelsurium ihrer Stofftiere saß in einer Ecke des Bettes.
Laurie hasste diese Dinger. Hätte sie jetzt das Messer besessen, dann hätte sie die Teddybären, Katzen, Hunde und Schweine mit großem Vergnügen zerfetzt und zerstochen.
Leider besaß sie es nicht mehr. Es war ihr abgenommen worden und das konnte sie auch nicht
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