1595 - Die sterbenden Engel
dem Kopf schütteln erntete ich auch eine Antwort.
»Ich habe ihn noch nicht gesehen und weiß auch nicht, ob er sich in seinem Büro befindet. Hast du Sehnsucht nach ihm?«
»Gott bewahre, nur das nicht.« Sofort huschte ich in unser Büro, wo Suko bereits wartete. Er rief die E-Mails ab. Seinem Gesicht sah ich an, dass nichts Interessantes dabei war, und so kümmerte ich mich um meinen Kaffee und ging in Gedanken die Vorgänge des vergangenen Abends durch. Es hatte gestern kein Ergebnis gegeben, und auch heute morgen kam ich nicht weiter. Mir fiel einfach keine Lösung ein.
Es wies alles auf einen Bürotag hin, als sich das Telefon meldete. So früh am Morgen, das konnte nur Arbeit bedeuten.
Suko war noch mit den E-Mails beschäftigt. Also hob ich ab und hörte sofort eine bekannte Stimme.
»Guten Morgen, John«, sagte Sir James, unser Chef.
»Ich grüße Sie, Sir.« Heute war ich sehr förmlich, was ihn zu einem Räuspern veranlasste.
»Sie sind schon aufnahmebereit?«
Ich schaute in meine Tasse. »Nun ja, wenn Sie unbedingt wollen.«
»Dann erwarte ich Sie.«
Die Verbindung war weg, ohne dass ich noch eine Nachfrage hätte stellen können. Dafür sah ich Sukos fragenden Blick, den ich allerdings nicht beantworten konnte.
»Keine Ahnung, was er will, Suko, aber ich denke, dass der Tag schon gelaufen ist.«
»Dann mal los.«
So schnell wollte ich nicht losrennen. Ich ging zwar, blieb jedoch am Kaffeeautomaten stehen und gönnte nur eine weitere Tasse. Sir James kannte mein Ritual. Er hatte nichts dagegen, wenn ich meinen Kaffee in seinem Büro trank.
Wir begrüßten uns erneut, und ich versuchte an seinem Gesicht zu erkennen, wie gut oder schlecht die Nachricht wohl sein konnte, mit der er uns überraschen würde.
Wir nahmen unsere Stammplätze ein und sahen, wie er den Kopf senkte. Dann begann er in Papieren zu blättern, die vor ihm lagen. Für uns stand fest, dass sie Informationen enthielten, die uns etwas angingen. Er machte es spannend, denn er schaute hoch, sah wieder in seine Papiere und schüttelte den Kopf.
»Ja, ich habe hier Informationen, die ich für sehr brisant halte. Ich erhielt sie von unseren Wissenschaftlern. Genauer gesagt, von der Pathologie und den Biologen.«
Ich konnte meine Neugierde nicht zähmen und fragte: »Um was geht es denn genau?«
Er schaute kurz hoch. »Um eine tote Frau, in deren Adern kein normales Blut floss.«
Ich schüttelte den Kopf. »Bitte?«
Sir James hob die Schultern. »Ja, es steht hier. Ich spreche von einer einwandfreien Analyse. Es ist kein menschliches Blut, das steht zweifelsfrei fest.«
»Was ist es denn?«, fragte Suko.
Darauf reagierte Sir James mit einem Anheben der Schultern. »Man weiß es nicht, noch nicht.«
»Aber es war ein Mensch, der starb?«
Sir James nickte zögernd, als wäre er sich seiner Sache nicht ganz sicher.
Suko sagte: »Eine Frau, sagten Sie?«
»Ja, das stimmt.« Er lehnte sich zurück. »Ich möchte Ihnen kurz mitteilen, was ich weiß. Diese Frau wurde auf einer Raststätte gefunden, und zwar in der Fahrerkabine eines Trucks. Das hört sich zwar ungewöhnlich an, ist aber eine Tatsache. Der Mann, in dessen Truck sie lag, heißt Steve Miner. Die Person war nackt und tot, wie er sagte. Auf dem Körper fanden sich zahlreiche Wunden.«
»Man hat sie gefoltert?« Sir James hob die Schultern. Er wühlte dabei in seinen Unterlagen und reichte uns Fotos. »Da, schauen Sie sich selbst an, was mit ihr geschehen ist.«
Das taten Suko und ich. Es waren auch Fotos dabei, die den Fundort der Toten zeigte. Sie hatte tatsächlich ausgestreckt in der Fahrerkabine über den Sitzen gelegen und trug keinen Fetzen am Leib. Wenn die Aufnahmen nicht täuschten, dann kam mir diese Person schon ein wenig seltsam vor. Das lag vor allem an der sehr hellen Haut, auf der sich die Wunden deutlich abzeichneten. Sie sahen aus wie rostrote Flecken, und wir gingen davon aus, dass es sich um Blut handelte.
»Dann haben die Verletzungen sie letztendlich umgebracht«, kommentierte ich.
Sir James nickte. »Ja, davon muss man ausgehen. Das habe auch die Ärzte bestätigt.«
»War der Blutverlust zu hoch?«
Sir James runzelte die Stirn. »Man weiß es nicht. Es kann sein, muss aber nicht. Jedem ist diese Frau ein Rätsel, um das Sie beide sich kümmern sollten.«
Ich nickte und reichte die Aufnahmen zurück. »Das werden wir auch, Sir. Wo finden wir die Person?«
»In unserer Pathologie. Ziemlich abgeschirmt. Da sind schon die tollsten
Weitere Kostenlose Bücher