16 - Geheimagent Lennet läßt die Bombe platzen
Mundwinkeln zeigte sich Schaum. Stufe für Stufe ging er hinunter. Dabei stützte er sich schwerfällig an der Brüstung auf. Wie beim Theater blieb er auf halbem Wege stehen. So beherrschte er die Situation. »Wer bist du, Komikerin?« schrie er mit überschlagender Stimme.
In die bedrohliche Stille tönte Maria Carolina: »Ich habe es Ihnen gesagt, Kapitän. Ich bin es nicht gewohnt, mich zu wiederholen!« Einen Moment lang schien der Kapitän erschüttert. Dann wandte er sich mit vom Zorn verzerrter Miene an seine Männer und donnerte: »Dieses Mädchen hat sich als Junge ausgegeben.
Dann als unsere Schiffseignerin. Beides ist falsch! In Wirklichkeit hat sie sich an Bord geschlichen, um die Oleo III zu sabotieren, wie ihre Komplizen das mit den Tankern Oleo II und Oleo I gemacht haben. Nur - dieses Mal haben wir sie erwischt! Und wir werden von ihr erfahren, wer ihre Auftraggeber sind, und wie sie geplant hatten, das Schiff zu versenken!« Er seufzte tief auf, dann brüllte er: »Bindet sie! Über Bord mit ihr! Das Wasser wird sie schon zum Reden bringen!« Genau in diesem Moment kündigte sich der Sturm, den die Wetterstation seit zwei Tagen vorhergesagt hatte, mit einigen spitzen Böen an. Der Himmel hatte sich verdüstert, und auf dem Meer waren zusehends Schaumkronen zu sehen. Ein kalter Wind fegte über die Brücke. Natürlich hatte ein Schiff von der Größe der Oleo III nichts von dem Unwetter zu befürchten. Es fuhr einfach über die Wellen hinweg, die ein anderes - kleineres Schiff unter sich begraben hätten.
An der Entscheidung des Kapitäns war nicht zu rütteln. Im Gegensatz zu seinem zweiten Offizier las Robarra niemals Abenteuerromane. Er verwirklichte sie. So, als sei der mitleidlose, brutale Kommandant der Bounty wieder zum Leben erwacht. »Holt Stricke!« befahl er. »Los, los, beeilt euch!« Walli, neugierig auf das, was sich abspielen sollte, rannte los, um Stricke zu besorgen. Die Stimmung war umgeschlagen.
Gewalttätigkeit lag in der Luft. Der Kapitän hatte sie alle angesteckt.
Bis auf Pepe Volapie, der murmelte: »Armes kleines Mädchen!« Doch er wurde nicht gehört. Und beim ersten Schlingern der Oleo III griff er an seinen Magen und verschwand in seiner Kabine.
Nur Ramirez hatte seinen kühlen Kopf bewahrt. Er näherte sich dem Kapitän. »Kommandant", sagte er, »ich weiß zwar nicht genau was das bedeutet, wenn Sie jemanden über Bord gehen lassen, aber ich vermute, daß es etwas Verbotenes ist.
Wenn dieses Mädchen eine Verbrecherin ist, dann liefern Sie sie an die Polizei aus. Sie haben kein Recht dazu, sie...«
»Ich habe alle Rechte!« zischte der Kapitän zornrot. »Bin ich nicht der Herr an Bord! Kümmern Sie sich um Ihre eigenen Angelegenheiten, um die Artikel über arme Hunde. Sonst könnte ich mich daran erinnern, was Ihre wirkliche Beschäftigung ist, und es könnte geschehen, daß Sie versehentlich über Bord gehen. Sie zumindest haben sie nicht entlarvt, Schnüffler! Ich, ich allein habe die Saboteurin entdeckt!« Ramirez seufzte und machte einen Schritt zurück. Gegen diesen Irren konnte er nichts unternehmen! Unterstützt von seiner Mannschaft, war der Kapitän drauf und dran, ein junges Mädchen, fast noch ein Kind, zu foltern. Der Rausch hatte sie alle gepackt. Jetzt machten sich Angst und Unsicherheit Luft, die die Mannschaft seit dem Tag ihres Ablegens bedrückt hatten. Die Angst vor dem Untergang. Und diese Angst war unmerklich mit jedem Tag auf der Oleo III gewachsen. Nein, um dieses Schauspiel würden sie sich nicht bringen lassen.
Weiß wie ein Leichentuch, aber mit hocherhobenem Kopf, stand Maria Carolina zwischen ihren brutalen Richtern. Nur die verkniffenen Mundwinkel zeigten ihre Spannung an. Sie beobachtete die Vorbereitungen. Ein großes Tau wurde an der Reling angebracht. Mit Hilfe eines Brettes, das die Matrosen am anderen Ende des Taues befestigten, überprüften sie, ob das Opfer, wenn es über Bord ging, nicht gegen den Schiffsrumpf schlüge. Schließlich wurde das Brett wieder nach oben gezogen und losgemacht. »Jetzt bist du dran, meine Schöne!« feixte Robarra.
Walli und Ali führten das Tau unter Maria Carolinas Achseln durch und banden es auf ihrem Rücken mit einem Spezialknoten fest. Ohne Mühe hoben sie sie hoch und warfen sie über die Reling. Ihr grausames Gelächter klang entsetzlich.
Lennet hatte die Zähne zusammengebissen. Nur mit Mühe hielt er sich zurück. Da wurde sein bester »Kumpel" in die schäumenden Wellen geworfen
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