16 - Geheimagent Lennet läßt die Bombe platzen
rannte zur Kajüte des zweiten Offizieres. Durch die Tür hindurch waren deutlich die Schnarchgeräusche von Nasri zu hören. Die Vermutung bestätigte sich rasch. Die Kabine des Detektivs war leer. Sein Bett schien nicht benutzt. Jetzt galt es nur noch, Ramirez zu finden. Bloß wo? Ramirez sollte die Ladung überwachen, das war seine Aufgabe. Also brachte er gewiß viel Zeit bei den Tanks zu - im verbotenen Bereich des Schiffes. Schon einmal war er dort gewesen, damals, als er sich den Kampf mit Pepe geliefert hatte.
Wenn er das Transistorgerät also in Ruhe untersuchen wollte, dann schien es wahrscheinlicher, er tat das im Sicherheitsbereich als bei sich in der Kabine, zu der sich jedermann Zutritt verschaffen konnte.
Ohne lange zu überlegen, rannte Lennet zu der Tür, die in das Tanklager führte. Sie wurde niemals abgeschlossen, für den Fall, daß ein Brand auf dem Schiff rasche Flucht notwendig machte.
So konnte Lennet ungehindert eintreten - trotz der großen Tafel: Eintritt verboten! Die verwirrenden Metallstufen, Brücken und Stege zwischen und um die Tanks, dazu der höllische Gestank des Rohöls, nahmen Lennet die Luft. Er sah sich um. Und er brauchte nicht lange zu suchen. In dem trüben Licht einiger schwacher Birnen entdeckte Lennet den Verdächtigen, wie er sich gerade mit einem Schraubenzieher an dem Funkgerät zu schaffen machte.
»Mein Transistor!« brüllte Lennet und rannte auf den Dieb zu.
Ramirez schreckte hoch und machte einige Schritte nach hinten. Da traf ein Schlag, scheinbar ungeschickt, aber nicht weniger heftig, seinen Unterarm. Überrascht öffnete Ramirez die Hand, und der Sender rutschte auf Nimmerwiedersehen in den Zwischenraum von Tank und Schutzmantel.
»Mein Transistor!« schrie der junge Angelo Medina in höchster Verzweiflung. Tränen schwangen in seiner Stimme.
»Mein Transistor! Er hat mich fünf Monate Arbeit bei meinen Schafen gekostet! Fünf lange Monate! Und ich habe ihn nicht mal verkauft, als ich beinahe am Hunger verreckt wäre. Das ist gemein! Nie hätte ich einem Mann wie Ihnen, der sehr viel mehr besitzt als ich, zugetraut, daß er so mit einem armen Jungen wie mir umspringt. Fünf Monate Arbeit! Wie soll ich jetzt Musik hören, wie die Lieder, die ich so mag?« Der Detektiv schien wie gelähmt. Schließlich gab er sich einen Ruck. »Mein armer Junge", sagte er mit samtweicher Stimme, »ich hatte nie die Absicht, dir deinen Transistor zu stehlen. Das mußt du mir glauben. Aber ich bin ein leidenschaftlicher Radiotechniker, und ich kannte dieses Fabrikat nicht. Weil ich heute nacht nicht schlafen konnte, habe ich es mir ausgeliehen, um es zu untersuchen. Du hast ja den Schraubenzieher in meiner Hand gesehen. Natürlich hätte ich dich vorher fragen müssen. Aber du hast so friedlich geschlafen - ich wollte dich nicht stören! Und ich war sicher, daß er bis zum Aufwachen wieder an seinem Platz stehen würde. Was soll ich jetzt tun? Willst du Geld haben, damit du dir einen neuen, besseren Apparat kaufen kannst, wenn wir erst in Dänemark sind?«
»Nein! Ich will kein neues Radio. Ich will meinen Transistor wiederhaben! Den, den ich schon hatte, als ich noch meine Schafe in den Bergen von Avila hütete!«
»Du weißt so gut wie ich, daß das nicht möglich ist. Aus diesem Schacht wird ihn keiner mehr rausholen können!«
»Dann will ich genau denselben! Nicht schöner, nicht besser, genau den gleichen!« jammerte Angelo.
»Ich kann dir nur versprechen, daß ich mich in Kopenhagen auf die Suche machen werde. Bis dahin mußt du leider warten! Als kleinen Trost...«, Ramirez machte eine Pause, zückte seinen Geldbeutel und zog fünf nagelneue Geldscheine heraus, »...nimm das so lange als Entschädigung.«
Es kam Lennet sehr merkwürdig vor, ein Trinkgeld von jemandem anzunehmen. Nun, ich lasse es der Hilfskasse des FND zukommen, dachte er und streckte die Hand aus. Als ob er mit den Tränen zu kämpfen hätte, stammelte er mit erstickter Stimme: »Danke... Aber es wird mir nicht meinen Transistor zurückbringen... Meine Schafe hatten ihn so gern!« Seine Schultern zuckten, als er sich umwandte und den verblüfften Don Miguel zurückließ.
Hoffentlich hat er mir geglaubt, dachte Lennet, während die schwere Metalltür hinter ihm zufiel. Seine Entscheidung, den Transistor zu zerstören, war gefährlich gewesen. Jetzt konnte er nicht mehr mit dem FND in Kontakt treten. Er war ganz auf sich alleine angewiesen. Doch er hatte keine Wahl gehabt. Außer, er hätte
Weitere Kostenlose Bücher