Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren

16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren

Titel: 16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
Schließers wurde einstweilen in einen verborgenen Winkel geschafft.
    Jetzt war alles in Ordnung. Teils mit untergeschlagenen Beinen am Boden und teils nach unserer Art an den Tischen sitzend, hielten die Helden alle möglichen und unmöglichen Gefäße in den Händen, um sich derselben zum Trinken zu bedienen. Draußen im Hofe lungerten die Frauen und Kinder um die Feuer. Auch ihnen waren einige Krüge mit Bier zugestellt worden. Die Knaben und Mädchen waren besonders emsig bemüht, das Fett aufzufangen, welches von den über dem Feuer bratenden Hammeln tropfte. Der eine hatte zu diesem Zweck einen Stein, der andere ein Stück Holz, auf welches er den Tropfen fallen ließ, um ihn dann schnell aufzulecken.
    Ein kleiner, vielleicht achtjähriger Bube fing es ganz allerliebst an, sich diesen heißersehnten Genuß zu verschaffen. Er hielt nämlich seinen winzigen Fez unter, bis er einige Tropfen aufgefangen hatte, stülpte ihn dann um, so daß die innere Seite nach außen kam, und wischte nun die betreffende Stelle so lange über diese Zunge, bis er glaubte, den gewünschten Genuß gehabt zu haben. War das Fett zu tief in das Zeug gedrungen oder klebte es zu fest daran, so bediente er sich wacker seiner Zähne. Ich ließ ihn mir später vorführen und untersuchte den Fez. Der kleine hatte verschiedene Löcher hinein-‚gefressen‘ und freute sich königlich, als ich ihn mit einem Piaster für diesen ausdauernden Fleiß belohnte.
    Eines der Feuer wurde von einer kleinen, verschworenen Schar förmlich belagert. Zwei Weiber saßen an demselben, abwechselnd den Bratspieß zu drehen. So oft nun eine es einen Augenblick an Aufmerksamkeit fehlen ließ, sprang ein Mitglied der verwegenen Bande herbei, irgend eine appetitliche Stelle des Hammels zu belecken und dann schleunigst davonzulaufen.
    Das war kein leichtes Unternehmen, da das Feuer die Kleidung ergreifen konnte. Glücklicherweise erfreuten sich die meisten keines Überflusses an seidenen Falbeln und Brüsseler Spitzen. War einem das Wagnis gelungen, so wurde er von seinen Mitverschworenen mit einem Ehrengeheul ausgezeichnet. Erhielt er aber von einer der Frauen einen nachdrücklichen Klapps oder gar eine gewichtigere Ohrfeige, was unter zehn Angriffen auf den Braten neunmal der Fall war, so wurde er gewaltig ausgelacht. Jedesmal aber, ob die Tat gelungen oder nicht, folgte ihr ein höchst energisches Mienenspiel, entweder wegen der Ohrfeige oder weil der glückliche Hammellecker sich die Zunge verbrannt hatte.
    Es gab eine Menge von Genrebildchen, die sich zu einem interessanten Ganzen vereinigten. Die Leute – jung sowohl wie alt – taten sich keinen Zwang mehr an; die äußere zeremonielle Hülle, in welcher sich der Orientale Fremden gegenüber stets zeigt, wurde von dem Arpa suju hinweggespült.
    Nach und nach getraute man sich an uns, und endlich waren wir stets von einem Kreis lebhafter Gesellen umringt, an denen ich die köstlichsten Studien machen konnte.
    Als der Polizeiwächter von seinem Gang zurückkehrte, meldete er mir:
    „Herr, es ist gelungen! Ich habe ihn gesehen; aber es hat Mühe gekostet. Du wirst wohl zehn Piaster geben müssen, anstatt nur fünf.“
    „Warum?“
    „Weil eine zehnfache Anstrengung meines Scharfsinnes erforderlich war. Als ich nach ihm fragte, erhielt ich die Antwort, daß er abwesend sei. Ich aber war klug und sagte, ich müßte mit ihm sprechen, da ich ihm eine wichtige Mitteilung über die letzten Augenblicke des Toten zu machen habe. Da ließ er mich kommen, denn er saß in einem Gemach allein. Als ich ihn sah, mußte ich erschrecken, denn er hatte ein lange, tiefe Wunde von der Stirn aus über die Nasenwurzel und über die Wangen herab. Neben ihm stand ein Wassergefäß, um die Wunde zu kühlen.“
    „Fragtest du ihn, wie er zu ihr gekommen sei?“
    „Freilich. Das Beil sei von dem Nagel an der Wand herunter und ihm in das Gesicht gefallen“, sagte er.
    „Nun wollte er deine wichtige Meldung hören?“
    „Ich sagte ihm, daß sein Bruder noch nicht ganz tot gewesen sei, sondern als ich ihn aufhob, noch einmal geseufzt habe.“
    „Das war alles?“
    „War es nicht genug? Sollte ich mein zartes Gewissen mit einer noch größeren Lüge beschweren? Einen kleinen Seufzer werde ich vor dem Engel der Entscheidung verantworten können. Hätte ich aber gesagt, der Tote habe noch eine lange Rede gehalten, so wäre dadurch meine Seele auf das schwerste belastet worden.“
    „Nun, was das betrifft, so habe ich dir nicht

Weitere Kostenlose Bücher