16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren
jetzt. Ich will über Uskub und Kakandelen heimreiten.“
„Um einen Besuch zu machen?“
„Nein. Es wohnt ein Wundermann dort, dessen Hilfe ich brauche, denn ich bin krank.“
„Willst du nicht lieber einen richtigen Arzt fragen?“
„Das habe ich getan, aber vergeblich. Der Wundermann hat mir schon große Linderung verschafft.“
„Woran leidest du?“
„Ich soll Steine in der Leber haben.“
Er sah ganz so aus, als ob er innerlich Schmerzen zu ertragen habe. Er dauerte mich wirklich sehr.
„Wann brichst du von hier auf?“
„Morgen früh.“
„Nach Uskub?“
„Nicht ganz. Es ist zu weit, um in einem Tag dorthin zu gelangen.“
„Gibt es unterwegs eine gute Herberge?“
„O, mehrere.“
„Willst du uns mitnehmen?“
„Wie könnte ich mit euch reiten! Ich verstehe es gar nicht, mit solchen Herren zu sprechen.“
„Nun, du sprichst aber jetzt so mit mir, daß du mir sehr gefällst. Wenn es dir also recht ist, so reiten wir zusammen, und ich werde dich für deine Führerdienste belohnen.“
„Sprich nicht so! Es ist eine Ehre für mich, bei euch sein zu dürfen, und zu mehreren reitet es sich besser, als allein. Wenn du es also befiehlst, so werde ich mich euch anschließen.“
Damit war die Sache abgemacht, und er setzte sich wieder an seinen Platz.
Später wünschte er gute Ruhe und entfernte sich, um sich niederzulegen. Die Gefährten sprachen sich auch alle dahin aus, daß der Mann ehrlich sei, und der Wirt bestätigte es nochmals.
Nach und nach leerte sich der Hof und die vordere Stube, und es wurde auch für uns Zeit, schlafen zu gehen. Der Wirt machte mir ein weiches Lager auf dem ‚Sofa‘ zurecht, die anderen aber mußten bei den Pferden schlafen, die ich am allerwenigsten hier ohne Aufsicht lassen wollte.
Als ich mich allein befand, verschloß ich die Tür von innen. Die Läden waren auch fest zu, und da ich mich auf mein gutes Gehör verlassen konnte, so schlief ich ohne Sorgen ein.
FÜNFTES KAPITEL
Der Miridit
Am Morgen erwachte ich erst, als Halef an die Tür klopfte. Ich tastete mich längs der Wand hin, um sie zu öffnen. Das helle Tageslicht fiel herein. Ich hatte mich verschlafen; im Hause aber war jedes Geräusch vermieden worden, um mich ja nicht zu stören.
Der Schneider mußte mit uns frühstücken; dann bezahlte ich die Zeche, und wir rüsteten uns zum Aufbruch.
Der Wirt war eine kleine Weile fortgewesen und hielt mir nun eine begeisterte Abschiedsrede. An diese schloß er die Bemerkung:
„Herr, wir scheiden in Freundschaft voneinander, obgleich du mir große Sorgen zugedacht hattest. Es ist alles gut verlaufen, und so will ich dir noch eine Warnung mitgeben. Ich war soeben drüben bei dem Fleischer, weil ich als Nachbar mein Beileid sagen mußte. Der Bruder des Toten war nicht zu sehen. Es hieß, er sei fortgeritten. Aber im Hof sah ich das beste Pferd des Fleischers stehen, gesattelt und gezäumt. Das gilt dir.“
„Vielleicht hat er ein Geschäft.“
„Glaube nur das nicht. Wenn er so verwundet ist, wie mein Wächter mir sagte, so kann ihn nur die Blutrache aus dem Hause treiben. Sei also auf deiner Hut!“
„Was für ein Pferd ist es?“
„Ein Brauner mit langer, breiter Blässe. Es ist das beste Pferd in der ganzen Umgebung. Wenn der Mann beabsichtigt, dir zu folgen, so wird er nicht eher wieder umkehren, als bis du tot bist; denn nach den Gesetzen der Blutrache ist er ehrlos, wenn er dich entkommen läßt.“
„Nun denn, ich sage dir Dank für deine Warnung. Lebe wohl!“
„Lebe wohl! Und erschrick nicht, wenn du zum Tor hinauskommst!“
„Was sollte mich erschrecken?“
„Du wirst sehen und auch hören.“
Nun brachen wir auf. Das Tor wurde erst jetzt geöffnet. Ich ritt voran. Als ich mich unter dem Torbogen befand und der Kopf meines Hengstes draußen sichtbar wurde, tat es einen Knall, als ob der Blitz eingeschlagen habe, und ein entsetzliches Getöse folgte.
Mein Rappe bäumte und schlug mit allen vieren um sich. Ich hatte Mühe, seine Hufe wieder zur Erde zu bringen.
Und was für ein Heidenlärm war das! Einen Tusch, einen schönen, ehrenden Tusch hatte man uns bringen wollen. Draußen stand die ganz gestrige Armeekapelle. Die Posaune hatte den erschütternden ersten Knall getan, und jetzt donnerte und rumorte sie in Begleitung der anderen Instrumente weiter. Endlich gab der Posaunist mit einer energischen Schwenkung seiner Zurna ein Zeichen – es trat Stille ein.
„Effendi“, rief mich ihr Besitzer an. „Nachdem du
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