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16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren

16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren

Titel: 16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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verkürzen, wenn du recht lange verweilst.“
    „Auch mir wäre es lieb, wenn ich deine Gegenwart recht lange genießen könnte. Du sollst sehr große Reisen gemacht haben?“
    „Wer sagte das?“
    „Der Schneider.“
    Ich sah es seinem Gesicht an, daß der Schneider die Unwahrheit gesagt hatte. Dennoch antwortete er:
    „Ja, meine Füße haben, als sie noch gesund waren, die Städte und Dörfer vieler Länder betreten.“
    „Und vorhin sagtest du, daß du nicht einmal einen Berg besteigen würdest, um den Aufgang der Sonne zu sehen!“
    „Jetzt, da meine Füße krank sind“, verteidigte er sich.
    „Warum umwickelst du die Beine und läßt dennoch die Füße entblößt?“
    Ich sah ihn dabei scharf an. Er wurde verlegen. Sollte er aus irgend einem Grund das Podagra nur heucheln?
    „Weil ich die Krankheit in den Schenkeln, nicht aber in den Füßen habe“, antwortete er.
    „So hast du also keinen Schmerz in der großen Zehe?“
    „Nein.“
    „Und sie ist auch nicht geschwollen?“
    „Sie ist gesund.“
    „Wie steht es abends mit dem Fieber?“
    „Ich habe noch nie ein Fieber gehabt.“
    Der Mann verriet sich, denn wenn dies alles nicht der Fall war, so hatte er auch das Podagra nicht. Er war ganz unwissend in Beziehung auf die Erscheinungen, von denen das Podagra begleitet ist. Ich wußte nun, woran ich war. Um auch noch seine angebliche Bibliothek zu erwähnen, sagte ich zu ihm:
    „In deinen Leiden und in deiner Einsamkeit wirst du Linderung und Unterhaltung finden durch die vielen Bücher, welche sich in deinem Besitz befinden.“
    „Bücher?“ fragte er erstaunt.
    „Ja, du bist ein hochgelehrter Mann und besitzt eine Menge von Schriften, um welche du zu beneiden bist.“
    „Wer sagte das?“
    „Auch der Schneider.“
    Offenbar hatte der Zwerg diese Lüge ersonnen, um mich in die Falle zu locken. Habulam erkannte dies, darum sagte er:
    „Herr, meine Bibliothek ist gar nicht so viel wert, wie du wohl denkst. Für mich reicht sie freilich aus, aber für einen solchen Mann, wie du bist, ist sie zu unbedeutend.“
    „Dennoch hoffe ich, daß du mir einmal erlaubst, sie zu betrachten.“
    „Ja, aber jetzt nicht. Du bist ermüdet, und ich werde euch in eure Wohnungen führen lassen.“
    „Wo befinden sich dieselben?“
    „Nicht hier im Hause, denn da würdet ihr zu sehr gestört sein. Ich habe deshalb für euch die Kulle Jaschly Anaja instand setzen lassen; da seid ihr unter euch.“
    „Ganz wie es dir beliebt. Warum aber heißt dieses Gebäude der Turm der alten Mutter?“
    „Das weiß ich selbst nicht. Man sagt, eine alte Frau sei nach ihrem Tod oft wieder gekommen und habe des Abends im weißen Sterbegewand oben auf dem Söller des Turmes gestanden, um von da herab ihre Kinder zu segnen. Glaubst du an Gespenster?“
    „Nein.“
    „So wirst du dich wohl auch nicht vor der Alten fürchten?“
    „Fällt mir nicht ein! Kommt sie auch jetzt noch zuweilen wieder?“
    „Die Leute sagen es und gehen darum des Nachts nicht in den Turm.“
    Warum sagte er mir das? Wenn es in dem Gebäude umging, so war dies doch wohl eher ein Grund für mich, das Übernachten darin abzuweisen. Vielleicht sollte irgend jemand im Gewand jenes Gespenstes einen Streich gegen uns ausführen und dann die Verantwortung auf die alte Frau geschoben werden – ein sehr kindischer Gedanke, der nur dem Gehirn solcher Leute entspringen konnte.
    „Wir würden uns freuen“, erwiderte ich, „einmal ein Gespenst zu sehen, um es zu fragen, wie es im Lande der Toten aussieht.“
    „Hättest du den Mut dazu?“
    „Sicher.“
    „Aber es könnte dir schlimm ergehen. Man soll mit keinem Geist sprechen, weil dies das Leben kosten kann.“
    „Das glaube ich nicht. Allah wird keinem Verdammten erlauben, die Qualen der Hölle zu verlassen, um auf Erden zu lustwandeln. Und gute Geister braucht man doch nicht zu fürchten; maskierten Gespenstern aber gehen wir ohne weiteres zu Leibe. Und nun bitte ich dich, uns nach dem Turm bringen zu lassen.“
    „Ihr werdet durch einen Teil des Gartens gehen müssen, und ich denke, daß du dich über denselben freuen wirst. Er kostet mich viel Geld und ist so prächtig wie der Park der Glückseligen hinter dem Eingangstor des ersten Paradieses.“
    „So tut es mir leid, daß ich ihn nicht genießen kann; denn es ist mir unmöglich, durch seine Gänge zu wandeln.“
    „Wenn du willst, so kannst du ihn dennoch genießen. Du brauchst nicht zu gehen, sondern kannst fahren. Meine Frau kann auch nicht

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