16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren
du da gute Geschäfte gemacht?“
„Ich reise nicht, um Geschäfte zu machen. Ich will die Länder sehen, die Völker, welche dieselben bewohnen, ihre Sprachen und Sitten kennenlernen. Deshalb habe ich für eine so lange Zeit meine Heimat verlassen.“
Er sah mich mit ungläubigem Blick an.
„Deshalb? Allah! Was bringt es dir für Nutzen, wenn du die Berge und die Täler anschaust, die Menschen und die Tiere, die Wüsten und die Wälder? Was hast du davon, wenn du siehst, wie man sich kleidet, und hörst, wie man spricht?“
Das war die alte Ansicht, welcher ich so oft begegnet war. Diese Leute können es durchaus nicht begreifen, daß man aus rein sachlichem Interesse fremde Völker und Länder besucht. Eine Geschäftsreise, eine Wallfahrt nach Mekka, weiter hinaus geht ihr Verständnis nicht.
„Liebst du die Dschografia (Geographie)?“ fragte ich ihn.
„Sehr. Ich lese gern solche Bücher.“
„Wer hat dieselben geschrieben?“
„Gelehrte Männer, welche in den betreffenden Ländern gewesen sind.“
„Und diesen Männern weißt du es wohl Dank, daß sie dich mit ihren Büchern unterhalten und unterrichten?“
„Natürlich!“
„Nun, auch in meiner Heimat gibt es Leute, welche solche Bücher wünschen. Viele, viele Tausende sind es, welche dieselben lesen. Es muß auch Männer geben, welche dieselben schreiben und also in entfernte Länder reisen, um dieselben kennenzulernen. Zu diesen gehöre ich.“
„So bist du also ein Ehli Dschografia. Aber ich frage dich dennoch: was hast du davon? Du verläßt dein Haus und dein Harem; du gibst die Freuden des Daseins auf, um in der Ferne Unbequemlichkeiten, Hunger und Durst zu leiden und vielleicht gar mit Gefahren zu kämpfen.“
„Das ist freilich der Fall.“
„Dann setzt du dich hin und schreibst dir deine Augen krank, damit die Neugierigen erfahren sollen, was du gesehen hast. Was frommt das aber dir?“
„Ist das Reisen kein Genuß?“
„Nein, sondern es ist eine große Beschwerde.“
„So würdest du wohl zum Beispiel keinen hohen Berg mühsam besteigen, um die Sonne aufgehen zu sehen?“
„Nein, denn mein Gehirn ist gesund. Was soll ich hier meinen bequemen Diwan verlassen, wo ich rauchen und Kaffee trinken kann? Wozu soll ich steigen und klettern, um nachher wieder herabzulaufen? Es ist doch unnütz. Die Sonne geht auf und geht unter, auch wenn ich nicht da oben auf dem Berg sitze. Allah hat alles weislich eingerichtet, und ich kann durch mein Klettern nicht das mindeste zu seinem Ratschluß beitragen.“
Ja, so sind die Ansichten dieser Leute! Allah il Allah, allüberall Allah! Das ist ihr Wahlspruch und die Entschuldigung ihres geistigen und körperlichen Phlegma.
„So wirst du allerdings auch nicht die Beschwerden und Gefahren weiter Reisen auf dich nehmen, nur um die Fremde kennenzulernen?“ fragte ich.
„Nein, das werde ich nicht.“
„Aber einen Nutzen habe ich doch. Ich lebe davon.“
„Wieso? Kannst du die Berge verspeisen und dazu die Flüsse austrinken, welche du siehst?“
„Nein; aber wenn ich ein solches Buch geschrieben habe, so bekomme ich Geld dafür, und das ist mein Einkommen.“
Jetzt hatte ich endlich etwas vorgebracht, was nicht ganz verrückt war.
„Ah“, sagte er, „jetzt verstehe ich dich. Du bist kein Geograph, sondern ein Kitabdschi (Buchhändler).“
„Nein, sondern der Kitabdschi bezahlt mich für das, was ich schreibe, druckt es dann zu einem Buch und verkauft es an die Leser. So machen wir beide ein Geschäft.“
Er legte den Finger an die Nase, sann eine Weile nach und sagte dann:
„Jetzt weiß ich es. Du bist es, der den Kaffee aus Arabien holt, und der Kitabdschi ist es, der ihn einzeln an die Leute verkauft?“
„Ja, ungefähr so ist es.“
„Schreibst du alles nieder, was du siehst?“
„Nicht alles, sondern nur, was interessant ist.“
„Was aber ist interessant?“
„Was mein Denken und meine Gefühle mehr als gewöhnlich beschäftigt.“
„Zum Beispiel, wenn du einen recht guten Menschen kennenlernt?“
„Ja, der kommt in mein Buch.“
„Oder einen recht bösen?“
„Auch über diesen schreibe ich, damit die Leser ihn kennen und verabscheuen lernen.“
Er schnitt ein ernstes Gesicht und fuhr sich mit der Pfeifenspitze unter den Turban. Die Sache gefiel ihm gar nicht; sie war ihm bedenklich.
„Hm!“ brummte er. „So werden also beide, die Guten und die Bösen, durch dich in deinem Lande bekannt?“
„So ist es.“
„Schreibst du auch ihren Namen
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