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16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren

16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren

Titel: 16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Weidenruten beladen, welche sie geschnitten hatten.
    „Habt ihr Hunger, ihr kleines Völkchen?“ fragte er sie.
    Die größeren nickten, die kleinste aber fing zu weinen an. Es ist in der Türkei ebenso, wie bei uns. Wenn man so ein Dirndl von zwei Jahren nach seinem Appetit fragt, so sind gleich Tränen zu sehen.
    „Nun, da hole einmal einen Korb heraus!“ befahl der kleine Hadschi dem Vater dieser hungrigen Schar. „Aber nicht zu klein darf er sein.“
    „Wozu?“ erkundigte sich der Mann.
    „Ich will diese ewig langen Stiefel ausschütten.“
    Der Korbmacher brachte ein Geflecht, welches schon etwas zu fassen vermochte, und hielt es empor. Nun schüttete der Hadschi aus beiden Stiefeln eine ganze Menge von Früchten, Fleisch- und Backwaren in diesen Korb, so daß derselbe ganz voll wurde.
    „So!“ sagte er. „Nun laß deine Kinder essen, und Allah möge es euch segnen!“
    „Herr!“ rief der Korbmacher, ihm die Hand küssend, „das alles soll unser sein?“
    „Freilich!“
    „Das können wir ja in einer ganzen Woche nicht aufessen!“
    „Das hat euch auch niemand befohlen. Verfahrt also hübsch genügsam und verzehrt den Korb nicht mit.“
    „Herr, ich danke dir! Dein Herz ist der Güte voll, und dein Mund trieft von Munterkeit.“
    „Das will ich nicht grad sagen. Allzu lustig bin ich nicht gestimmt, sondern das Herz blutet mir, wenn ich diese leeren Stiefel betrachte. In jedem derselben steckte auch ein gebratenes Huhn, so braun und knusperig, wie es nur im dritten Paradies gebacken wird. Meine ganze Seele hängt an solchen Hühnern. Daß ich von ihnen scheiden muß, erfüllt mein Gemüt mit Traurigkeit und mein Auge mit Tränen. Da diese Hennen aber nun einmal ihr Leben haben lassen müssen, um verspeist zu werden, so ist es schließlich ganz gleich, in wessen Magen sie begraben werden. Also verzehrt sie mit Bedacht und andächtigem Behagen und hebt mir die Knochen auf, bis ich wieder komme.“
    Er sprach das so ernst und würdevoll, daß wir alle lachen mußten.
    „Aber, Halef, wie kommst du denn auf den sonderbaren Gedanken, dich mit einem solchen Proviant zu versehen und meine Stiefel als Magazin zu benutzen?“
    „Ich selbst kam nicht auf diesen schönen Gedanken. Als ich den Wirt bezahlen wollte, wie du mich beauftragt hattest, so sagte er, daß er uns schuldig sei, nicht aber wir ihm. Für den Dienst nämlich, den wir seinem Bruder Ibarek erwiesen hätten. Hier ist wieder einmal zu sehen, daß Allah jede gute Tat doppelt lohnt, denn wir haben bei Ibarek auch nichts zu bezahlen brauchen.“
    „Weiter doch!“
    „Ja, weiter! Vorsichtigerweise hatte ich auch ein Wörtchen fallen lassen, daß Brathuhn meine Lieblingsspeise sei –“
    „Schlingel, du!“
    „Verzeihe, Sihdi! Man hat den Mund nicht zum Schweigen, sondern zum Sprechen erhalten. Das Ohr des Wirts war offen gewesen und sein Gedächtnis hatte das Brathuhn aufbewahrt. Als ich unsere Sachen zusammenpackte, brachte er mir die beiden Hühner und wünschte mir, daß ihr Genuß uns das Leben verlängern möge. Da erklärte ich ihm, daß der Mensch noch länger lebe, wenn er zu dem Huhn noch andere passende Sachen speise.“
    „Halef, wenn das wahr wäre, verdientest du die Peitsche!“
    „Ich verdiene deinen Dank, Sihdi, weiter nichts. Wenn du mir diesen widmest, bin ich ebenso zufrieden, wie ich es war, als der Wirt mir dann die Zuspeisen brachte, welche du hier in diesem Korb in holder Eintracht versammelt siehst.“
    „Du hättest nichts nehmen sollen!“
    „Verzeihe, Sihdi! Wenn ich nichts genommen hätte, so könnten wir jetzt auch nichts geben.“
    „Wir könnten trotzdem geben!“
    „Aber nichts, was den Hunger dieser kleinen Menschen augenblicklich stillen kann. Übrigens habe ich mich geweigert, bis es mir endlich fast an das Leben ging. Ich sagte, daß ich dazu deiner Erlaubnis bedürfe und also nichts nehmen könne, weil du nicht anwesend seiest. Ich brachte alle Einwürfe vor, welche sich sämtliche Kalifen aussinnen könnten, aber der Wirt bestand auf seinem Willen. Er erklärte, daß er es nicht mir, sondern dir schenke. Das erweichte mein gutes Herz, ich gab nach. Um aber ganz sicher zu gehen, hielt ich mich fern davon. Die Gabe war für dich bestimmt, und da der Wirt sie dir nicht selbst überreichen konnte, so stellte ich ihm die Stiefel als deine Stellvertreter und Bevollmächtigte hin und ging von dannen. Als ich sie dann zu meiner Freude wiedersah, waren sie dick und fett geworden von den Erzeugnissen

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