16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren
sein.“
„Du hast aber doch soeben gesagt, daß ihr diejenigen Skipetaren seid, vor denen wir gewarnt worden sind.“
„Wir sind diejenigen, ja; aber daß wir Skipetaren seien, das ist eine Lüge.“
„Wo ist denn der Reiter, der auf den Rappen gehört?“
„Der bin ich. Wir haben die Pferde gewechselt, und ich legte eine andere Kleidung an, um von denjenigen Leuten, welche ich fangen will, nicht sogleich erkannt zu werden. – Du aber scheinst schlechte Erfahrungen mit dem Mübarek gemacht zu haben?“
Der Sohn, an welchen diese Frage gerichtet war, antwortete, aber zu seinem Vater gewendet:
„Jawohl, aber nicht bloß ich, sondern auch der Schwager. Hast du dir ihre Pferde angesehen?“
„Wie konnte ich? Ich befand mich doch noch auf dem Lager, und es war noch nicht vollständig Tag. Der Nebel lag noch dick um die Hütte. Was ist es mit dem Schwiegersohn?“
„Bestohlen haben sie ihn!“
„O Allah! Diesen armen Menschen, der noch dazu erst vor kurzem seine Frau, deine Schwester und meine Tochter, verloren hat. Was haben sie ihm genommen?“
„Das beste von seinen zwei Pferden.“
„O Himmel! Warum haben sie ihm das getan! Sie konnten sich ein anderes Pferd von einem reichen Mann stehlen, das wäre Allah wohlgefälliger gewesen. Und der Mübarek war dabei? Seit wann sind die heiligen Einsiedler Pferdediebe geworden?“
„Es gibt keine Heiligen mehr wie früher. Es ist alles List, Trug und Täuschung. Mir kann der frömmste Marabut oder der vornehmste Scherif kommen, ich traue ihm nicht mehr.“
Bei dem Wort Scherif war er mir einen bezeichnenden, höchst mißtrauischen Blick zu. Ich wußte nun, was er erfahren hatte, und konnte mir auch denken, was gesprochen worden war. Darum sagte ich zu ihm:
„Du hast recht; es gibt viel Betrug und Hinterlist in dieser Welt. Ich aber will ehrlich und aufrichtig mit dir sein. Ich bin weder ein Skipetar noch ein Scherif, sondern ich bin ein Franke, der gar kein Recht hat, den grünen Turban zu tragen. Sieh' einmal her!“
Ich nahm den Turban ab und zeigte ihm mein volles Haar.
„Herr“, rief er erschrocken, „wie kühn bist du! Du wagst ja das Leben!“
„O, so sehr schlimm ist es nicht. In Mekka freilich wäre es gefährlicher als hier, wo es so viele Christen gibt.“
„Also bist du gar kein Moslem, sondern ein Christ?“
„Ich bin ein Christ.“
„Und trägst das Hamaïl am Hals, den in Mekka geschriebenen und nur dort zu erlangenden Koran!“
„Ich habe ihn von dort.“
„Und bist dennoch ein Christ? Das kann ich nicht glauben!“
„Ich werde es dir gleich beweisen, indem ich dir erkläre, daß euer Mohammed tief unter Christus, dem Sohn Gottes, knien muß, um ihn anzubeten. Würde ein Moslem diese Worte sagen?“
„Nein, niemals. Du sagst einen Frevel gegen unseren Glauben, aber du hast damit bewiesen, daß du ein Christ, ein Franke bist. Vielleicht bist du derjenige, welcher Manach el Barscha in den Arm geschossen hat.“
„Wann soll das geschehen sein?“
„Gestern abend bei der Hütte des Mübarek.“
„Das bin ich allerdings gewesen. Also diesen Mann habe ich getroffen? Es war dunkel, so daß ich die Personen nicht erkennen konnte. Also du weißt auch davon?“
„Sie sprachen ja immerwährend davon. So seid ihr denn wohl die Fremden, welche den Mübarek und die andern drei gefangengenommen hatten?“
„Ja, die sind wir.“
„Herr, so verzeihe, daß ich dich beleidigte. Freilich habe ich nur Böses über dich vernommen; aber das Böse, welches schlechte Menschen über andere sagen, verwandelt sich in Gutes. Ihr seid die Feinde dieser Diebe und Betrüger, und darum seid ihr gute Menschen.“
„Also hast du nun Vertrauen zu uns?“
„Ja, Herr.“
„So erzähle uns, wie du mit diesen Menschen zusammengekommen bist.“
„Gern, Herr. Steige herab und setze dich auf die Bank. Der Vater wird dir Platz machen, während ich erzähle.“
„Ich danke dir. Er mag ruhig sitzen bleiben. Sein Haar ist grau; ich aber bin noch jung. Auch habe ich einen kranken Fuß, so daß ich lieber im Sattel sitzen bleibe. Erzähle uns nun.“
„Es war heute in der Frühe; ich war eben aufgestanden, um mein Tagewerk zu beginnen. Der Nebel war noch so dick, daß man kaum einige Schritte weit sehen konnte. Da hörte ich Reiter kommen, welche vor meiner Hütte hielten und mich riefen.“
„Kannten sie dich denn?“
„Der Mübarek kannte mich. Als ich in das Freie trat, sah ich vier Reiter, welche ein Packpferd bei sich hatten. Der
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