16 Tante Dimity und das verhexte Haus (Aunt Dimity and the Family Tree)
stecken.
Ein silberner Audi parkte vor der Wysteria Lodge. In Finch besaß niemand einen silbernen Audi.
» Tut mir leid, Grant«, sagte ich und eilte zur Tür und in Richtung Treppe. » Muss mich beeilen. Amüsiert euch in London!«
» Dein Staubtuch!«, rief Grant und hielt die Papiertüte hoch.
» Behalte es!«, rief ich über die Schulter zurück.
Grant Tavistock war nicht dumm. Als ich aus seinem Atelier hinausstürmte, eilte er prompt zum Fenster und sah, was meine Aufmerksamkeit erregt hatte. Während ich über den Dorfanger eilte, fühlte ich nicht nur seine Blicke, sondern zahlreiche andere auf mir, aber es war nicht das Gefühl, beobachtet zu werden, was mich aus dem Konzept brachte.
Es war das verräterische Bimmeln an der Eingangstür des Emporiums, die plötzlich aufschwang.
Peggy Taxman hatte ihr Frühstück beendet.
9
Große Schiffe brauchen länger, um sich in Bewegung zu setzen, als kleine. Da Peggy Taxman mindestens hundert Pfund mehr wog als ich, hatte sie nicht die geringste Chance, den Audi vor mir zu erreichen. Doch mir kam Bill noch zuvor. Wie ein Springteufel aus seiner Schachtel schoss er aus seinem Büro und war in null Komma nichts bei dem silbernen Auto, wo er sich sogleich zum Fahrer hinabbeugte.
» No se preocupe, Señor Cocinero«, sagte er gerade, als ich neben ihm zum Stehen kam. » Meine Frau wird Ihnen gern den Weg nach Fairworth House zeigen.«
» Nein, das wäre zu viel verlangt«, protestierte der Mann in fast fließendem Englisch, aber mit schwerem Akzent.
» Unsinn!«, rief ich keuchend und schlüpfte so schnell auf den Beifahrersitz, dass ich beinahe den Panamahut zerdrückt hätte, der dort lag. Ich schnappte den Hut und legte ihn auf meinen Schoß, während ich gleichzeitig die Tür zuschlug. » Ich bestehe darauf, Sie zu begleiten. Das ist eine Gefälligkeit, die wir allen unseren Gästen zuteilwerden lassen«, fuhr ich fort, während ich nervös Peggy Taxmans Gestalt näher kommen sah. » Über die Brücke und die erste Abzweigung links. Lady Sarah wartet bereits auf Sie, Señor. Vámonos.«
» De acuerdo!«, erwiderte er liebenswürdig und fuhr los, noch ehe Peggy Taxman die Hälfte des Dorfangers überquert hatte. » Ihr Mann und Sie sind wirklich äußerst zuvorkommend.«
» Ach, das ist doch selbstverständlich«, sagte ich und ignorierte Peggys aufgeregtes Winken. » Wir mögen Lady Sarah sehr. Ihre Freunde sind auch unsere Freunde.«
Señor Cocinero bedankte sich– zumindest interpretierte ich es so– überschwänglich in seiner Muttersprache, und ich verstand kein Wort.
» Verzeihen Sie, Señor, aber ich kann nur wenig Spanisch.«
» Verzeihen Sie mir«, entgegnete er. » Wir sind in England, also sollte ich auch Englisch sprechen, nicht wahr?«
» Sí«, sagte ich abwesend, während ich im Seitenspiegel verfolgte, wie Peggys wütendes Gesicht immer weiter in die Ferne rückte. Das Wettrennen war knapp ausgegangen, aber Willis seniors weise Voraussicht und Bills Umsicht hatten verhindern können, dass die Königin von Finch ihre Beute in die Ecke trieb. Ich atmete tief durch und ließ mich erleichtert gegen die Rückenlehne sinken. Erst jetzt kam ich dazu, Sally Pynes amigo zu betrachten.
Wie von Willis senior vorausgesagt, hatte Henrique wenig Ähnlichkeit mit einem blassgesichtigen Engländer. Sein dunkler Teint, schwarzer Schnurrbart und schwarzes gewelltes Haar ließen mich sogleich an sonnige Strände und wehende Palmen denken und nicht an heckengesäumte Landstraßen und robuste Eichen. Er hatte ein rundes, zerfurchtes Gesicht mit zahlreichen Lachfältchen, und seine dunklen Augen blickten leutselig unter den schwarzen Brauen hervor. Sein maßgeschneiderter weißer Anzug saß wie angegossen an seiner kleinen, rundlichen Gestalt, seine schwarzen Schuhe glänzten, und am kleinen Finger seiner rechten Hand trug er einen Siegelring. Auch wenn er nicht unbedingt als männliches Model geeignet war, konnte ich auf Anhieb sehen, warum Sally ihn attraktiv gefunden hatte. Er hatte eine tiefe, volle Stimme und versprühte den Charme vergangener Zeiten.
» Sind Sie mit Lady Sarah verwandt?«, fragte er, während wir die Brücke passierten.
» Ja, aber nur durch Heirat«, sagte ich. » Mein Schwiegervater, William Willis, ist ihr Cousin. Er kommt uns jeden Sommer besuchen, wohnt aber bei Lady Sarah, weil unser Cottage nicht groß genug ist, um für längere Zeit einen Gast zu beherbergen.«
» Lady Sarah hat mir erzählt, dass die Dorfbewohner sie
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