16 Tante Dimity und das verhexte Haus (Aunt Dimity and the Family Tree)
Sally aus Finch nennen«, fuhr er fort. » Es überrascht mich, dass Sie ihren Titel benutzen.«
» In unserer Familie ist das so üblich«, sagte ich, » weil wir ihr großen Respekt entgegenbringen.«
» Das freut mich«, sagte Henrique. » Lady Sarah verdient nämlich Respekt. Sie sind sich sehr nah in Ihre Familie?«
» O ja, das sind wir.«
» Das gefällt mir. Ich habe leider nicht so viel Glück in diese Hinsicht. Meine Frau ist vor zehn Jahren gestorben, und meine Kinder wohnen weit weg. Das Leben ohne meine Familie manchmal ist sehr einsam. Sie haben Glück, dass Sie Ihre Lieben in Ihre Nähe haben.«
Seine Worte rührten mich so sehr, dass ich beinahe vergessen hätte, ihm den Weg zu weisen.
» Die nächste Abzweigung bitte links, Señor Cocinero«, sagte ich schnell.
» Ach, bitte, nennen Sie mich Henrique«, sagte er, während er bedächtig nach links in Willis seniors Auffahrt abbog. » Wie Sie sagen, Lady Sarahs Freunde sind auch meine Freunde, also wir sollten nicht so formal sein.«
» Gut, aber nur, wenn Sie mich Lori nennen.«
» Ein hübscher Name, passend zu einer hübschen Señora«, sagte er lächelnd. » Sie sind keine Engländerin, nicht wahr?«
» Nein, Bill und ich sind Amerikaner, aber wir leben schon so lange in England, dass es zu unserer zweiten Heimat geworden ist.«
» Es ist schön, wenn man im Ausland lebt und man fühlt sich zu Hause«, sagte Henrique. » Ach, und was für ein schöne Heim Lady Sarah hat! Ist das wirklich Fairworth House? Estupendo! Es un paraíso!«
Auch wenn ich nicht jedes Wort verstand, so war mir doch klar, was er meinte. In Sonnenlicht getaucht und eingerahmt von den grünen Bäumen der Auffahrt, sah Fairworth House in der Tat aus wie das Paradies auf Erden. Aber ich war zu sehr abgelenkt, um den Anblick genießen zu können, denn mir war plötzlich eingefallen, dass ich versäumt hatte, Willis senior anzurufen und ihn über Henriques Ankunft in Kenntnis zu setzen. Ich konnte nur hoffen, dass Bill das getan hatte. Wenn Henrique Lady Sarah bei der Einstudierung ihrer Rolle überraschte, würde er sich womöglich sehr wundern.
» Ja«, sagte ich, » das ist Fairworth House.«
» Hat der Garten in letzter Zeit unter Dürre gelitten?« Er betrachtete die kümmerlichen Pflänzchen, die aus einer Mulchschicht hervorlugten und die die Landschaftsgärtner vor weniger als einer Woche gepflanzt hatten.
» Nein, Lady Sarah probiert gerade eine neue Bepflanzung aus«, sagte ich aus dem Stegreif, während ich mich fragte, ob Sally den Garten überhaupt bemerkt hatte. » Sie liebt es, mit Farben und Strukturen und… äh… Düften zu experimentieren.«
» Aha.« Henrique nickte verständnisvoll. » Lady Sarah hat den rastlosen Geist einer wahren Künstlerin.«
» Ja, wir wissen nie, was ihr als Nächstes einfällt«, sagte ich milde lächelnd.
Als Henrique und ich aus dem Wagen stiegen, wurde in der Dachgeschosswohnung ein Vorhang zur Seite gezogen. Also hatte einer der Donovans unsere Ankunft auf jeden Fall bemerkt. Ich hoffte, dass der Späher die Treppe und nicht den Aufzug benutzen würde. Der Aufzug war zwar bequem, aber langsam.
Ich reichte Henrique seinen Hut, dann erklommen wir die Eingangsstufen, und ich betätigte die Klingel, während er sich mit erwartungsvoller Miene ein wenig im Hintergrund hielt. Kurz darauf öffnete Deirdre die Tür, Declan stand neben ihr. Ich konnte nicht sagen, wer von beiden die Treppe hinuntergerast war, denn keiner von ihnen hatte gerötete Wangen oder war außer Atem. Deirdre trug ein tailliertes weißes Hemdblusenkleid und ein schwarzes Haarnetz– offensichtlich ihre ganz persönliche Haushälterinnenuniform– und Declan wieder ein kurzärmeliges T-Shirt und Khakihose. Sie wirkten beide taufrisch.
Deirdre begrüßte Henrique in fließendem Spanisch, aber er gebot ihr mit erhobener Hand Einhalt.
» Muchas gracias, Señora«, sagte er, » aber ich würde lieber Englisch sprechen, solange ich hier bin. Ich unbedingt muss üben.«
» Nein, das müssen Sie nicht«, sagte ich. » Ihr Englisch ist sehr gut.«
» Ich würde es gern besser sprechen, und das heißt üben, üben, üben.« Er lächelte Deirdre an. » Nehmen Sie es mir bitte nicht übel.«
» Aber nein, ganz wie Sie wünschen, Mr Cocinero«, sagte sie.
» Wenn Sie mir Ihren Wagenschlüssel geben würden, Sir?«, sagte Declan und trat einen Schritt vor. » Dann kümmere ich mich um Ihr Gepäck und stelle Ihren Wagen in die Garage. Wir wollen ihn ja
Weitere Kostenlose Bücher