16 Tante Dimity und das verhexte Haus (Aunt Dimity and the Family Tree)
große Stücke auf sie.«
Ich war mir ziemlich sicher, dass Reginald nicht sprechen konnte, und war mir hundertprozentig sicher, dass er Willis senior nicht als seinen » Vater« bezeichnet hätte, also richtete ich meine folgenden Bemerkungen an Bill, der, Stanley um die Schultern drapiert, in der Tür stand.
» Ich wünschte, ich könnte sie mögen«, sagte ich traurig, » und vielleicht kann ich das ja eines Tages, aber im Moment habe ich so meine Zweifel, was sie anbelangt. Ich kann es nicht erklären, aber…«
» Ich kann es«, unterbrach mich Bill. Er lächelte schläfrig und streichelte Stanleys glänzendes schwarzes Fell. » Du würdest jedem, den Vater einstellt, mit Misstrauen begegnen, Lori. In deinen Augen wird nie jemand gut genug sein, um sich um ihn zu kümmern, und dafür liebe ich dich unter anderem. Hast du gerade mit ihm telefoniert?«
Ich nickte. » Er wollte mir nur sagen, dass es sich bei dem verdreckten Bild nicht um ein Gemälde, sondern um den Stammbaum der Familie Fairworthy handelt.«
» Oh, da wird er entzückt sein. Ich übrigens auch. Endlich etwas Angenehmes, mit dem er sich ablenken kann, während um ihn herum Sallys Seifenoper aufgeführt wird. Wie haben Henrique die Schweinefüße geschmeckt?«
» Er war seinerseits entzückt und hat sie verschlungen. Vielleicht sollte man ihm Würmertatar vorsetzen. Ich bin sicher, Deirdre hat auch dafür ein Rezept.«
Bill lachte leise, dann setzte er Stanley auf den Boden und kam zu mir. Er umfasste mein Kinn und hob es an.
» Du musst deine Abneigung gegen Deirdre Donovan überwinden«, sagte er sanft. » Wenn mich nicht alles täuscht, werden sie und ihr Mann nämlich dauerhaft bleiben.« Als die Kaminuhr zu schlagen begann, blickte er zu ihr hinüber. » Halb zehn? Zu früh, um ins Bett zu gehen, aber ich tu es trotzdem. Nachdem ich es heute so lau habe angehen lassen, werde ich morgen Überstunden machen müssen. Aber keine Sorge, meine Süße– ich nehme die Jungs morgen Früh auf dem Weg zur Arbeit nach Anscombe Manor mit. Ich möchte, dass du jederzeit frei bist, von einer Minute auf die nächste zu Vaters Rettung nach Fairworth House zu brausen.«
» Mein Pferd wird gesattelt und aufgezäumt vor der Tür stehen, darauf kannst du dich verlassen. Gib Stanley einen Gutenachtkuss von mir.«
» Das tue ich doch immer.« Bill beugte sich zu mir, um seine Lippen sanft auf meine zu drücken. Dann verließ er mit Stanley, der ihm ergeben auf den Fersen folgte, das Arbeitszimmer.
Ich bedachte die Zeitschrift mit einem weiteren düsteren Blick, dann schüttelte ich meine schlechte Laune ab, griff nach dem blauen Notizbuch im Regal und setzte mich mit untergeschlagenen Beinen in den großen Armsessel vor dem Kamin. Nachdem ich kurz innegehalten hatte, um meine Gedanken zu sammeln, schlug ich das Notizbuch auf und blickte erwartungsvoll auf die leere Seite.
» Dimity?«, sagte ich.
Als sich die Handschrift geschmeidig über die Seite ergoss, lächelte ich leise vor mich hin.
Guten Abend, Lori. Ich hatte eigentlich gehofft, dass Du Dich etwas früher meldest.
Mein Lächeln erstarb. Ich sah verstohlen zum Schreibtisch, und mit einem Anflug von schlechtem Gewissen wurde mir klar, dass ich meine Zeit besser damit verbracht hätte, mit Tante Dimity zu plaudern, statt nach Rezepten zu suchen. Sie hatte ein Recht darauf, informiert zu werden, wie ihr kluger Plan in die Tat umgesetzt wurde.
» Tut mir leid«, sagte ich. » Ich war heute Abend ein bisschen abgelenkt.«
Entschuldigung angenommen. Würdest Du nun bitte anfangen? Ich kann es nicht erwarten, von Lady Sarahs Abenteuern in Fairworth House zu erfahren.
Fest entschlossen, meine Nachlässigkeit wiedergutzumachen, stürzte ich mich in eine erschöpfende Beschreibung dessen, was sich seit unserer letzten Unterhaltung zugetragen hatte, angefangen bei meinem frühen Auftauchen im Dorf bis zu Willis seniors Anruf kurz zuvor. Tante Dimitys spontane Antwort auf meine lange und detailreich ausgeschmückte Erzählung ließ mich schmunzeln.
Orange und gelber Chiffon? Mit Strasssteinen besetzt? Du lieber Himmel.
» Sally hat sehr hübsch ausgesehen«, sagte ich wacker. » Henrique war ganz hingerissen von ihr.«
Ist er farbenblind?
» Wenn Liebe blind macht, ist Henriques Augenlicht definitiv beeinträchtigt.«
Sein Gehör muss ebenfalls beeinträchtigt sein, wenn er die Misstöne in ihrer Sprechweise nicht bemerkt hat.
» Er ist Mexikaner«, sagte ich mit einem Achselzucken. »
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