16 Tante Dimity und das verhexte Haus (Aunt Dimity and the Family Tree)
auszufragen.
» Williams Gärtner war heute bei uns auf der Farm«, sagte sie. » Er scheint ein netter junger Mann zu sein.«
» Ja, nicht wahr?«, sagte ich unverbindlich.
» Er hat die Schweinefüße und Kutteln abgeholt, die Williams Haushälterin heute Morgen bestellt hat. Ich muss gestehen, ich war etwas überrascht von dieser Wahl. Ich hätte William eher eine Vorliebe für Filet Mignon zugetraut statt für Kutteln.«
» Wenn es nach ihm ginge, gäbe es bestimmt Filet, aber sein Gast scheint nicht ganz so wählerisch zu sein, und du kennst ja den Spruch: Der Kunde ist König.«
» Wirklich komisch.« Annie zog nachdenklich die Stirn in Falten. » Man könnte doch meinen, dass ein Diktator auf Delikatessen wie Kaviar und Gänseleber steht.«
» Ein Diktator?« Ich sah sie beklommen von der Seite an.
Annie warf einen Blick über die Schulter, als wollte sie sich vergewissern, dass wir allein waren. Dann sagte sie mit gesenkter Stimme: » Ich weiß, dass du ein Schweigegelübde abgelegt hast, Lori, aber Opal Taylor weiß aus berufenem Munde, dass Williams Mandant ein südamerikanischer Diktator ist, der in England Asyl beantragen will, nachdem sein tapferes Volk, das so lange unter ihm gelitten hat, ihn endlich außer Landes gejagt hat.« Annie hielt kurz inne, um Luft zu holen, ehe sie mit einem Anflug von Enttäuschung hinzufügte: » Von so jemandem würde man doch erwarten, dass er lieber Filet isst, oder nicht?«
» Ich nehme an, da hast du recht«, sagte ich, während sich meine Gedanken überschlugen. » Allerdings ist Opal Taylor nicht ganz richtig im Oberstübchen, wenn sie glaubt, mein Schwiegervater würde sich mit einem Diktator abgeben.«
» Da hat sie wohl etwas falsch verstanden, was?«, fragte Annie in gespielt beiläufigem Ton.
» Sie hat alles falsch verstanden.« Ich blieb stehen. » Ich dürfte dir das eigentlich nicht sagen, Annie, aber du und ich, wir…«
Annie sperrte Mund und Ohren auf, während ich mein Insiderwissen über Tim Thomson preisgab, den erfolgreichsten Tierpräparator in ganz Topeka. Und je leiser ich sprach, desto überzeugter war ich, dass meine Worte bald in nah und fern gehört werden würden.
14
Der Montag, der sich wie der längste meines Lebens anfühlte, neigte sich schließlich doch seinem Ende entgegen. Rob und Will schliefen friedlich in ihren Betten, Bill döste in seinem Lieblingssessel im Wohnzimmer, und Stanley döste in Bills Schoß. Ich saß an dem alten Eichenschreibtisch im Arbeitszimmer und durchforstete einen Stapel Zeitschriften nach neuen Rezepten. Kaum klingelte das Telefon, nahm ich auch schon ab, damit die Männer nicht in ihrem Schlaf gestört wurden. Flüchtig fragte ich mich, ob es vielleicht Peggy Taxman sei, die mich mit den neuesten Gerüchten piesacken wollte, die ihr zu Ohren gekommen waren, und atmete innerlich auf, als ich Willis seniors Stimme vernahm.
» Der Mann der Stunde«, sagte ich vergnügt. » Bist du allein?«
» Lady Sarah und Señor Cocinero haben sich zurückgezogen. Und ich habe in meinem Arbeitszimmer Zuflucht gefunden. Darf ich fragen, warum ich der Mann der Stunde bin?«
» Weil wegen dir ganz Finch kopfsteht. Bist du dir eigentlich bewusst, dass der Gast, den du beherbergst, entweder ein Drogenbaron, ein berühmter Schauspieler, ein Fußballspieler oder gar ein Diktator auf der Flucht mit Vorliebe für rustikale Speisen ist?«
» Du meinst bestimmt die Geschichten, die bezüglich Señor Cocinero in Umlauf sind«, sagte er trocken.
» Sind sie bereits an deine Ohren gedrungen?«, fragte ich nicht besonders erstaunt.
» Indirekt. Mr Donovan kam bei seinem Besuch im Pub auf dem Rückweg von der Farm der Hodges in den Genuss der wildesten Geschichten. Natürlich hat er sich eines süffisanten Kommentars dazu enthalten, aber es als seine Pflicht betrachtet, mir davon zu berichten. Offensichtlich fand er sie höchst unterhaltsam.«
» Es ist immer hilfreich, sich auch in Zeiten der Not seinen Humor zu bewahren«, sagte ich.
» Die Kanzlei Willis & Willis pflegt keine Beziehungen mit Kriminellen oder so genannten Prominenten«, erklärte er mit allem Nachdruck. » Derlei Gerüchte sind dazu angetan, meinen Ruf bei den Einheimischen zu schädigen.«
» Nicht einen Deut«, sagte ich. » Im Gegenteil, sie werden deinen Glamour-Faktor verstärken.«
» Ich habe nicht das geringste Interesse daran, als glamourös zu gelten«, protestierte er.
» Du kannst dich entspannt zurücklehnen. Ich habe Annie Hodge von
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