16 Uhr 50 ab Paddington
Schwester zu tun, nicht mit nüchternen und vorsichtigen Geschäftsleuten. Vielleicht hat sie gehofft, sie könnte ohne viel Fragen Ihrerseits Geld für das Kind aus Ihnen herausholen (wohl kaum mehr ein Kind; das müsste heute fünfzehn bis sechzehn Jahre alt sein). Stattdessen stieß sie auf Schwierigkeiten ganz anderer Art. Ich könnte mir denken, dass sich Rechtsfragen von einiger Tragweite gestellt hätten. Wenn Edmund Crackenthorpe einen ehelichen Sohn hinterlassen hätte, dann wäre der ein Miterbe Ihres großväterlichen Vermögens, oder?»
Emma nickte.
«Und nach allem, was ich gehört habe, würde er eines Tages Rutherford Hall mitsamt dem Grundstück erben – heute wahrscheinlich wertvolles Bauland.»
Emma wurde unruhig.
«Ja, daran hatte ich gar nicht gedacht.»
«Na, machen Sie sich keine Sorgen», sagte Inspector Craddock. «Sie haben das einzig Richtige getan und es mir erzählt. Ich werde die erforderlichen Untersuchungen veranlassen, aber ich halte eine Verbindung zwischen der Briefschreiberin (die sich vermutlich auf illegale Weise bereichern wollte) und der Frauenleiche im Sarkophag für sehr unwahrscheinlich.»
Emma seufzte erleichtert und erhob sich.
«Ich bin so froh, dass ich es Ihnen erzählt habe. Vielen Dank.»
Craddock brachte sie zur Tür.
Dann klingelte er nach Detective-Sergeant Wetherall.
«Bob, ich habe Arbeit für Sie. Fahren Sie zum 126 Elvers Crescent Nr. 10. Nehmen Sie Fotos von der Frau aus Rutherford Hall mit, und versuchen Sie, etwas über eine Frau namens Crackenthorpe in Erfahrung zu bringen – Mrs. Martine Crackenthorpe, die entweder dort gewohnt oder Briefe dorthin hat zustellen lassen, sagen wir, in der zweiten Dezemberhälfte.»
«Geht klar, Sir.»
Craddock widmete sich anderen Arbeiten auf dem Schreibtisch. Am Nachmittag ging er zu einem befreundeten Theateragenten, hatte mit seinen Fragen aber keinen Erfolg.
Am frühen Abend kehrte er noch einmal ins Büro zurück und fand auf dem Schreibtisch ein Telegramm aus Paris vor.
«Angaben Ihrerseits könnten auf Anna Strawinska vom Ballet Maritski zutreffen. Empfehle Ihren Besuch vor Ort. Dessin, Pr ä fektur.»
Craddock atmete hörbar auf, und seine Stirn glättete sich.
Endlich! So viel zur Martine-Crackenthorpe-Fährte, dachte er… Er beschloss, mit der Nachtfähre nach Frankreich überzusetzen.
Dreizehntes Kapitel
I
« E s ist sehr liebenswürdig von Ihnen, mich zum Tee einzuladen», sagte Miss Marple zu Emma Crackenthorpe.
Miss Marple sah noch verwirrter und verhuschter aus als sonst – der Inbegriff einer reizenden alten Dame. Sie sah sich strahlend um – betrachtete Harold Crackenthorpe in seinem maßgeschneiderten dunklen Anzug, Alfred, der ihr mit gewinnendem Lächeln Sandwiches reichte, und Cedric, der in einer abgerissenen Tweedjacke am Kamin lehnte und den Rest der Familie mit finsteren Blicken bedachte.
«Wir sind hocherfreut, dass Sie kommen konnten», sagte Emma höflich.
Nichts deutete mehr auf die Szene hin, die sich nach dem Mittagessen abgespielt hatte, als Emma plötzlich ausrief: «Ach du liebe Zeit, das habe ich ja ganz vergessen. Ich habe Miss Eyelesbarrow gesagt, sie könne heute ihre alte Tante zum Tee mitbringen.»
«Lad sie wieder aus», sagte Harold schroff. «Wir haben genug zu besprechen. Fremde haben uns gerade noch gefehlt.»
«Lass sie doch in der Küche oder sonstwo mit dem Mädchen Tee trinken», sagte Alfred.
«O nein, das kommt gar nicht in Frage», sagte Emma in entschiedenem Ton. «Das wäre äußerst taktlos.»
«Ach, lasst sie doch kommen», sagte Cedric. «Dann können wir sie ein bisschen nach der entzückenden Lucy ausquetschen. Ich muss gestehen, dass ich gern mehr über das Mädchen wüsste. Ich weiß nicht, ob ich ihr trauen kann. Sie ist ganz schön ausgebufft.»
«Sie hat hervorragende Referenzen und ist absolut vertrauenswürdig», sagte Harold. «Das habe ich bereits in Erfahrung gebracht. Man möchte schließlich wissen, woran man ist. Wenn jemand so herumschnüffelt wie sie und unvermittelt eine Leiche findet.»
«Wenn wir bloß wüssten, wer diese verflixte Frau war», sagte Alfred.
Harold sagte verärgert:
«Wirklich, Emma, du musst von allen guten Geistern verlassen gewesen sein, als du die Polizei auf den Gedanken gebracht hast, die Tote könne Edmunds französische Geliebte gewesen sein. Jetzt wird man dort erst recht glauben, dass sie hier war und dass einer von uns sie umgebracht hat.»
«Aber nein, Harold. Nun übertreib mal
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