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16 Uhr 50 ab Paddington

16 Uhr 50 ab Paddington

Titel: 16 Uhr 50 ab Paddington Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Ohr: «Das ist alles. Warten Sie. Diese dummen Narren glauben, ich würde bald sterben. Das werde ich aber nicht. Sollte mich nicht wundern, wenn ich sie alle überlebe. Und dann werden wir ja sehen! O ja, dann werden wir sehen. Harold hat keine Kinder. Cedric und Alfred sind unverheiratet. Und Emma – Emma wird nicht mehr heiraten. Quimper hat es ihr ein bisschen angetan – aber Quimper heiratet Emma nie im Leben. Natürlich ist da noch Alexander. Ja richtig, Alexander… Wissen Sie, Alexander mag ich… Ja, das ist seltsam. Ich mag Alexander.»
    Er schwieg einen Augenblick und sagte dann stirnrunzelnd:
    «Also, Mädchen, wie wäre es? Wie wäre es, hm?»
    «Miss Eyelesbarrow…»
    Emmas Stimme drang gedämpft durch die geschlossene Tür des Arbeitszimmers. Lucy ergriff die Gelegenheit beim Schopfe.
    «Miss Crackenthorpe braucht mich. Ich muss gehen. Vielen Dank für alles, was Sie mir gezeigt haben…»
    «Vergessen Sie nicht… unser Geheimnis…»
    «Ich werde es nicht vergessen», sagte Lucy, eilte in die Halle hinaus und fragte sich, ob sie eben einen unverbindlichen Heiratsantrag bekommen hatte oder nicht.
     
    II
     
    Dermot Craddock räkelte sich an seinem Schreibtisch beim New Scotland Yard. Er hatte sich bequem auf die Seite gelehnt, einen Ellenbogen auf den Tisch gestützt und sprach in den Telefonhörer. Er sprach Französisch, eine Sprache, die er passabel beherrschte.
    «Na ja, es war nur so ein Gedanke», sagte er.
    «Aber durchaus bedenkenswert», sagte die Stimme aus der Pariser Präfektur am anderen Ende. «Ich habe in diesen Kreisen bereits Untersuchungen angeordnet. Mein Agent berichtet, er wolle einigen viel versprechenden Hinweisen nachgehen. Wenn sie weder Familie noch Verehrer haben, verschwinden diese Frauen leicht in der Versenkung, und niemand macht sich deswegen Gedanken. Sie gehen auf Tournee, oder es gibt einen neuen Mann – das geht niemanden etwas an. Schade, dass auf der Fotografie, die Sie mir geschickt haben, so wenig zu erkennen ist. Erdrosseln ist für das Äußere nicht vorteilhaft. Aber das ist nun nicht zu ändern. Ich werde jetzt die neuesten Berichte meiner Agenten in dieser Sache studieren. Vielleicht hat sich etwas gefunden. Au revoir, mon cher.»
    Während Mr. Craddock die Verabschiedung noch höflich zurückgab, wurde ihm eine Notiz auf den Schreibtisch gelegt. Sie lautete:
    Miss Emma Crackenthorpe.
    Möchte Detective-Inspector Craddock sprechen.
    Fall Rutherford Hall.
    Craddock legte auf und sagte zum Constable:
    «Ich lasse bitten.»
    Beim Warten lehnte er sich zurück und dachte nach.
    Er hatte sich also nicht geirrt – Emma Crackenthorpe wusste doch etwas – vielleicht nicht viel, aber besser als nichts. Und sie hatte beschlossen, es ihm zu sagen.
    Als sie hereingeführt wurde, erhob er sich, reichte ihr die Hand, bot ihr einen Stuhl an und eine Zigarette, die sie jedoch ablehnte. Dann entstand eine kurze Pause. Er nahm an, dass sie nach den richtigen Worten suchte, und beugte sich vor.
    «Sie möchten mir etwas sagen, Miss Crackenthorpe? Kann ich Ihnen behilflich sein? Sie haben sich wegen irgendetwas Sorgen gemacht, nicht wahr? Vielleicht nur eine Kleinigkeit, die vermutlich nicht mit dem Fall zusammenhängt, eventuell aber doch. Und darüber möchten Sie mit mir reden, nicht wahr? Hat es zufällig mit der Identität der Toten zu tun? Glauben Sie zu wissen, wer sie sein könnte?»
    «Nein, nicht ganz. Ich halte es für fast ausgeschlossen. Aber –»
    «Aber die Möglichkeit besteht, und das macht Ihnen zu schaffen. Erzählen Sie mir ruhig davon – vielleicht können wir Sie sofort beruhigen.»
    Emma zögerte, gab sich dann einen Ruck und sagte: «Mit dreien meiner Brüder haben Sie gesprochen. Ich hatte einen vierten Bruder, Edmund, der im Krieg gefallen ist. Kurz vor seinem Tod schrieb er mir aus Frankreich einen Brief.»
    Sie öffnete ihre Handtasche, holte einen zerlesenen und vergilbten Brief heraus und las einen Abschnitt daraus vor:
    «Ich hoffe, es versetzt dir keinen Schock, Emmie, aber ich werde heiraten – eine Französin. Es kommt alles sehr plötzlich, aber ich weiß, dass du Martine mögen – und dich um sie kümmern wirst, falls mir etwas zustößt. Alles weitere schreibe ich dir im nächsten Brief – und dann werde ich ein verheirateter Mann sein. Bring es dem alten Herrn schonend bei, ja? Er wird wahrscheinlich in die Luft gehen.» Inspector Craddock streckte die Hand aus. Emma zögerte, gab ihm dann aber den Brief. Hastig sprach sie

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