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16 Uhr 50 ab Paddington

16 Uhr 50 ab Paddington

Titel: 16 Uhr 50 ab Paddington Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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der beiden Ereignisse in der Tat seltsam, wie Sie selbst scharfsinnig erkannt haben. Wie Sie bei der gerichtlichen Untersuchung gehört haben, ist die Frau nach dem Befund des Pathologen vor drei bis vier Wochen gestorben. Machen Sie sich keine Sorgen, Miss Crackenthorpe, und überlassen Sie uns alles Weitere.» Dann sagte er noch: «Sie haben Mr. Harald Crackenthorpe um Rat gebeten. Was ist mit Ihrem Vater und Ihren anderen Brüdern?»
    «Meinem Vater musste ich natürlich davon erzählen. Er wurde fuchsteufelswild», sie lächelte müde. «Er war überzeugt davon, das Ganze sei eine abgekartete Sache, und man hätte es nur auf unser Geld abgesehen. Mein Vater regt sich leicht auf, wenn es um Geld geht. Er glaubt oder redet sich ein, er sei ein armer Mann und müsse an allen Ecken und Enden sparen. Ich glaube, alte Menschen entwickeln manchmal solche Zwangsvorstellungen. Es stimmt natürlich nicht, er hat große Einkünfte und verbraucht kaum ein Viertel davon – oder tat das nicht vor Erhöhung der Einkommensteuer. Er hat bestimmt sehr viel Geld auf die Seite gelegt.» Sie verstummte wieder und setzte dann neu an: «Ich habe auch meinen anderen beiden Brüdern davon erzählt. Alfred hat es mit Humor aufgenommen, aber auch er ging von einer Hochstaplerin aus. Cedric ließ das alles kalt – er neigt zum Egoismus. Wir beschlossen, die Familie solle Martine empfangen, aber auch unser Anwalt Mr. Wimborne solle an dem Treffen teilnehmen.»
    «Was hielt Mr. Wimborne von dem Brief?»
    «Wir haben die Angelegenheit gar nicht mehr mit ihm beraten. Wir wollten ihn gerade ansprechen, als Martines Telegramm kam.»
    «Danach haben Sie nichts mehr unternommen?»
    «Doch. Ich habe einen Brief an die Londoner Adresse geschickt und Bitte nachsenden auf den Umschlag geschrieben, aber nie eine Antwort bekommen.»
    «Sehr merkwürdig, das alles… hm…»
    Craddock sah Emma durchdringend an.
    «Was halten Sie selbst davon?»
    «Ich weiß nicht, was ich davon halten soll.»
    «Wie haben Sie reagiert, als der Brief kam? Haben Sie ihn für echt gehalten – oder waren Sie derselben Meinung wie Ihr Vater und Ihre Brüder? Und was war mit Ihrem Schwager, wie reagierte der darauf?»
    «Oh, Bryan hat den Brief für echt gehalten.»
    «Und Sie?»
    «Ich – war mir nicht sicher.»
    «Und was fühlten Sie bei dem Gedanken, dass dieses Mädchen wirklich die Witwe Ihres Bruders Edmund sein könnte?»
    Emmas Miene wurde milder.
    «Ich hatte Edmund sehr gern. Er war mein Lieblingsbruder. Ich fand, es war genau der Brief, den ein Mädchen wie Martine unter diesen Umständen schreiben würde. Ihre Schilderung der damaligen Ereignisse war durchaus plausibel. Ich nahm an, nach Kriegsende hätte sie entweder wieder geheiratet oder wäre mit einem Mann zusammen gewesen, der sie und das Kind versorgt hatte. Dieser Mann war dann vielleicht gestorben oder hatte sie verlassen, woraufhin es ihr nur natürlich vorgekommen war, sich an Edmunds Familie zu wenden – was ja auch sein Wunsch gewesen war. Der Brief kam mir echt und natürlich vor – aber dann meinte Harold nur, wenn er von einer Betrügerin stamme, dann hätte diese Martine natürlich gekannt, wäre über alles informiert und hätte also einen rundum plausiblen Brief schreiben können. Ich musste zugeben, dass er damit Recht hatte – aber trotzdem…»
    Sie verstummte.
    «Sie wollten, dass er wahr war», sagte Craddock leise.
    Sie sah ihn dankbar an.
    «Ja, das wollte ich. Ich wäre so froh, wenn Edmund einen Sohn hinterlassen hätte.»
    Craddock nickte.
    «Der Brief sieht, ganz wie Sie sagen, auf den ersten Blick echt aus. Seltsam ist nur das weitere Geschehen; Martine Crackenthorpes überstürzte Abreise nach Paris und die Tatsache, dass Sie seither nichts mehr von ihr gehört haben. Sie hatten ihr freundlich geantwortet und wollten sie willkommen heißen. Selbst wenn sie nach Frankreich zurückkehren musste, warum hat sie Ihnen nicht mehr geschrieben? Immer angenommen, sie war die echte Martine. Bei einer Betrügerin wäre alles ganz einfach zu erklären. Ich dachte, Sie hätten vielleicht Mr. Wimborne hinzugezogen, und er hätte Nachforschungen in die Wege geleitet, die die Frau gewarnt hätten. Dem ist aber nicht so, sagen Sie. Trotzdem wäre möglich, dass einer Ihrer Brüder etwas Derartiges getan hat. Möglicherweise hatte diese Martine einen Hintergrund, der Nachforschungen nicht standgehalten hätte. Sie könnte davon ausgegangen sein, sie hätte es nur mit Edmunds liebevoller

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