160 - Der untote Kreuzritter
Begrüßung und starrte sie mit einem seltsamen Blick an.
Runhild errötete leicht. Verwirrt bat sie Osmund in die Burg.
Er nahm im schön geschnitzten Stuhl Platz, in dem sonst immer Heinrich gesessen hatte, trank einen Becher Wein und ließ sie nicht aus den Augen.
Unter seinem Blick wurde sie immer unruhiger. Ihr Atem ging rascher. Seine Gegenwart hatte sie schon immer unruhig gemacht.
„Hast du Neuigkeiten von meinem Gemahl erhalten?"
Osmund schüttelte bedauernd den Kopf. „Nein, ich habe nur gehört, daß die Könige von Frankreich und England aufgebrochen sind. Sie müßten schon in Akko eingetroffen sein."
Runhild verbarg ihre Enttäuschung nicht. Ihr Mann war am Leben, das glaubte sie zu wissen, da ihr Körper kein Signal gegeben hatte.
„Ich hoffe, daß du einige Zeit bei mir bleiben wirst."
„Diese Einladung nehme ich nur zu gerne an", sagte Osmund breit lächelnd.
Sein verlangender Blick verwirrte sie vollends. Sie wollte etwas sagen, doch sie war nicht fähig dazu.
Verlegen strich sie das Kleid glatt, und ihre Augen weiteten sich. Ein entsetzlicher Schmerz durchraste ihren Leib. Ihre Hände zitterten plötzlich, und sie wurde bleich. Dann wiederholte sich der Schmerz.
„Was ist mit dir?" fragte Osmund besorgt.
„Mir ist nicht gut", antwortete Runhild rasch und stand auf.
In ihrem Schlafzimmer kamen die Schmerzen in Wellen. Kurze Zeit später breitete sich ein seltsames Brennen in ihrem Körper aus. Sie fühlte sich unendlich schwach, wankte auf das Himmelbett zu, fiel darauf und wurde bewußtlos.
Dann setzten die Träume ein…
Ein immer gleichbleibender Traum, der Heinrich in der Schlacht zeigte. Ganz deutlich erlebte sie seinen Tod mit. Schweißgebadet schreckte sie hoch und wand sich vor Schmerzen auf dem Bett hin und her. Sie stöhnte unterdrückt, und Tränen rannen über ihre Wangen.
Deutlich spürte sie, daß Heinrich tot war. Verzweifelt schluchzte sie in ihr Kissen. Die Schmerzen ließen langsam nach. Noch einmal raste der stechende Schmerz durch ihren Körper, dann war es vorüber.
Runhild trocknete die Tränen, setzte sich auf und stöhnte voller Pein.
„Mein Gemahl ist tot", keuchte sie. „Heinrich ist tot."
Die ganze Nacht weinte sie vor sich hin.
Am nächsten Tag schlüpfte sie in ein schwarzes Kleid und legte einen schwarzen Schleier um. Osmund erzählte sie, daß sie einen Traum gehabt hätte, daß ihr Mann gestorben war.
Er versuchte sie zu beruhigen, doch sie hörte nicht auf ihn. Tagelang blieb sie in ihrem Zimmer, trauerte um ihren Mann und verließ es nur zu den Mahlzeiten, die sie schweigend einnahm.
Osmund hatte nach und nach die Geschäfte der Burg übernommen, da sich Runhild nicht darum kümmerte.
Der Winter kam, und langsam machte sich Runhild mit den Gedanken vertraut, daß ihr Gemahl nicht mehr zurückkommen würde. Sie trug noch immer Trauer, doch allmählich gewann sie etwas von ihrer Lebensfreude zurück.
Osmund kam ihr wie ein Geschenk des Himmels vor. Er war immer vergnügt, konnte witzig erzählen und angenehm singen. Immer mehr fühlte sie sich zu ihm hingezogen. Langsam verblaßten das Bild ihres Gemahls und ihre Versprechungen, die sie ihm gegeben hatte. Sie ertappte sich immer öfter bei dem Gedanken, wie es wohl sein würde, Osmunds Frau zu sein.
Eines Abends, der Schnee war geschmolzen, und das erste Grün war auf den Wiesen zu sehen, saßen sie allein vor dem großen Kamin. Ihre Wangen waren vom Wein gerötet. Er saß eng neben ihr, spielte ein zärtliches Liebeslied, setzte die Laute ab und griff nach ihr.
Sie wurde fast ohnmächtig, als seine Hände über ihren Körper strichen, und seine festen Lippen sich auf die ihren preßten. Es schien ihr, als würde eine Flamme von ihm auf sie überspringen.
Willenlos ließ sie sich hochheben und in ihr Schlafzimmer tragen.
Der Mond stand hoch am Himmel. Der Lärm vom Kreuzritterlager war kilometerweit zu hören. Überall brannten Lagerfeuer, und der Rauch stieg in den nachtschwarzen Himmel, der mit unzähligen Sternen bedeckt war.
Auf dem Friedhof war es still. Kein Lebewesen war zu sehen. In den Grabhügeln steckten neben Kreuzen auch die Banner der gefallenen Ritter.
In einem der Massengräber lag Heinrich von der Laufen. Der Schein des Mondes schien sich durch die Grabhügel zu fressen. Ein leises Wimmern war zu hören, so, als würden die Toten wehklagen. Das Amulett um Heinrichs Hals begann leicht zu pulsieren. Es hatte sich in den vergangenen Wochen mit Heinrichs
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