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160 - Die Schrecken von Kabuul

160 - Die Schrecken von Kabuul

Titel: 160 - Die Schrecken von Kabuul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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hielten es am Zaumzeug fest. Ja, Bettler, das waren sie, denn es war keiner unter ihnen, der nicht seine Hand zu Aruula hinauf streckte, sie flehend anschmachtete und irgendeinen routinierten Spruch herunterleierte: »Ein Steinchen für einen armen Krüppel«, »Nur ein Krümel deines Reichtums für mich«, »Ein Münze für den lieben Saschabinalfred, ein klitzekleine nur«, oder einfach nur »Da, da, ja, ja, da, da…«
    Immer fordernder streckten sie ihre Hände nach ihr aus, immer unverschämter überboten sie einander in gierigen Sprüchen, und immer mehr wurden es. Von links und rechts zerrten sie an ihrem Yaakulipelz, diebische Finger machten sich an ihren Decken zu schaffen.
    »Genug jetzt!«, rief Aruula. »Verschwindet, lasst mich in Ruhe!« Es war, als würde sie gegen eine Wand anschreien – die Männer, Frauen und Kinder bettelten nur noch flehender.
    Aruula griff über die Schultern, um ihr Schwert aus der Rückenkralle zu reißen, doch im selben Moment ging ein Ruck durch die Menge der Bettler. Einige stolperten, andere stürzten zu Boden. »Weg hier!«, brüllte eine tiefe Männerstimme hinter ihr. »Wollt ihr wohl die Dame in Frieden ihres Weges ziehen lassen?! Verdammtes Gesindel!«
    Vier Schwarzmäntel schwangen Knüppel, Säbel oder einfach nur ihre Fäuste. Sie schlugen und traten nach links und rechts, und schneller als Aruula schauen konnte, löste sich der Belagerungsring um das Kamshaa auf. Die Bettler suchten ihr Heil in der Flucht. Ein paar krochen auf allen Vieren davon, weil die Schläge und Tritte der Schwarzmäntel sie verletzt hatten. Schwerer verwundet oder gar getötet wurde niemand, Wudan sei Dank…
    »Ich hoffe, dieses Kolkgesindel hat dich nicht bestohlen, schöne Frau.« Einer der Schwarzmäntel stand breitbeinig neben dem Kamshaa und reichte ihr den entglittenen Zügel hinauf. »Achte auf deine Schritte in dieser Scheißstadt, man rutscht allzu leicht aus hier.« Ein gelber Stirnring hielt sein rotes Kopftuch. Seine Brauen und sein Bart waren dunkelblond, seine Augen blau.
    Aruula nahm ihm die Zügel ab. »Danke.«
    »Stets zu Diensten, schöne Frau. Rate dir übrigens, die Waffe abzulegen, gefährlich, gefährlich.« Er grinste breit, sein Gebiss war tadellos. »Nur die verdammten Turbanträger dürfen mit Klingen herumlaufen in dieser verdammten Stadt.« Er zuckte mit den Schultern. »Ist nun mal so. Wir sind die Einzigen, die ihr Waffenmonopol ungestraft ankratzen dürfen. Gib einfach dein Schwert her, schöne Frau, wir verwahren es dir, bis du die verdammte Stadt wieder verlässt. Kostet dich nichts, nicht einmal einen Kuss.«
    Zwei der anderen drei Schwarzmäntel lachten. Der dritte, eine große, grobknochige Frau, machte ein grimmiges Gesicht.
    »Ich werde über dein Angebot nachdenken.« Aruula drückte dem Kamshaa nur sanft die Knie in die Flanken.
    Glücklicherweise trottete Rapushnik sofort los. Manchmal war er zu wahren Geistesblitzen fähig. Ihr Finger schmerzte, dass es kaum noch auszuhalten war.
    »Frag nach Toorsten, wenn du nachgedacht hast, schöne Frau!«, rief der Schwarzmantel ihr nach. »Toorsten Al'Myller, Berliner Platz siebzehn. Und wie lautet dein Name?«
    Aruula drehte sich im Sattel um. Der Kerl hatte ein großes Maul und fand sich überaus wichtig. Doch er sah gut aus, so weit sie das beurteilen konnte – die Kleidung war lang und weit und verhüllte natürlich eine Menge –, und irgendwie war er ihr sympathisch. »Aruula von den Dreizehn Inseln!«, rief sie zurück. Der Schwarzmantel namens Toorsten verneigte sich tief, die anderen beiden Männer grinsten und die Frau fing an, mit ihm zu schimpfen.
    Aruula kümmerte sich nicht weiter um sie. Allmählich begriff sie, dass sehr unterschiedliche Gruppen von Menschen in dieser Ruinenstadt lebten.
    Sie erreichte das Tor neben dem Kuppelbau. Von ihrem Sattel aus konnte sie in einen weiträumigen, auf zwei Seiten von vielen kleinen Gebäuden gesäumten Hof blicken. Links grenzte er an den Kuppelbau. Dort lag eine Frau im Staub.
    Männer standen um sie herum. Sie hielten Steine in den Händen, und eine Menge weiterer Steine war um die Frau am Boden verteilt. Ein Mann mit grünem Turban beugte sich über sie und tastete nach ihrer Halsschlagader. Dann drehte er sich nach anderen Steinewerfern um und nickte.
    Aruula wurde übel. Bei Wudan, in was für einem Schreckensort bin ich hier gelandet? Ohne dass sie Rapushnik stoppen konnte, stieg der Kamelbulle die vier Stufen der Vortreppe zum Säulengang vor dem

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