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160 - Die Schrecken von Kabuul

160 - Die Schrecken von Kabuul

Titel: 160 - Die Schrecken von Kabuul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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brennenden Felsen erzählen, den sie in einer Vision gesehen hatte? Sollte sie ihm erzählen, dass er sie gerufen hatte, dieser Fels, dass er sie noch immer rief? Ausgeschlossen. Der Mann würde sie für verrückt halten; außerdem kannte sie ihn kaum.
    »Zur Küste also, aha?« Er betrachtete den Stumpf ihres kleinen Fingers. Aruula selbst wagte zunächst nicht hinzuschauen. »Und was hat die junge Frau an unserer Südküste so Wichtiges zu erledigen, dass sie im Winter den Hindukusch überquert?« Er hatte ein feines, schmales Gesicht, mochte um die sechzig Winter gesehen haben und trug ein weißes, fast knielanges Hemd über weiten weißen Hosen. Die Mütze auf seinem kahlen Schädel schien aus blauem Samt zu sein. Er hieß Omar Alifrid Bin Theodor.
    »Vielleicht Geschäfte?« Jetzt wagte sie es, den Blick auf den Fingerstumpf zu richten. Es sah halb so schlimm aus, als sie erwartet hatte. »Vielleicht wartet mein Geliebter dort auf mich? Vielleicht bin ich aber auch nur auf der Flucht vor den abscheulichen Wesen, die am Kratersee gezündelt haben. Was geht dich das an, Medikus?«
    »Nichts, überhaupt nichts.« Er lächelte und beugte sich erneut über den Finger. »Die kaum verheilte Wunde ist wieder aufgeplatzt, Gnädigste. Ich muss sie neu vernähen, sonst wird sie sich entzünden. Ich nehme an, das wäre nicht in deinem Sinne.«
    Er ging zu einem Herd, auf dem in einem schwarzen Töpfchen Wasser kochte. »Vom Kratersee habe ich schon gehört.« Aus einem Regal über dem Herd holte er ein kleines Tongefäß. Dazu musste er sich auf die Zehenspitzen stellen, denn er war von geringem Wuchs, gut einen Kopf kleiner als die Frau von den Dreizehn Inseln. »Und jetzt willst du dich an einem gemütlicheren Ort niederlassen. Nun, Kabuul braucht gute Köpfe.«
    »Wenn ich keinen Heiler bräuchte, hätte ich einen Bogen um diese Ruinen machen! Was denkst du denn?«
    »Nun, es gibt ja nicht nur Ruinen bei uns.« Er öffnete das Tongefäß und entnahm ihm mit spitzen Fingern einen rotbraunen Würfel. Den ließ er in das kochende Wasser fallen.
    »Von abscheulichen Wesen am Kratersee habe ich noch nie gehört. Und was meinst du mit ›zündeln‹?« Aus Werkzeugen, die an Haken an einem Wandregal hingen, wählte er einen langstieligen Löffel aus und begann die köchelnde Brühe umzurühren.
    »Ihr wisst hier nichts von den Explosionen?« Aruula konnte es nicht glauben. »Bist du denn blind? Siehst du nicht, dass der Himmel nicht mehr aufreißt? Siehst du nicht den Dreckschleier vor der Sonne? Das haben die Daa'muren verbrochen! Möge Orguudoo sie in seiner Feuerhölle braten…«
    Der Heiler drehte sich um. »Explosionen? Daa'muren?«
    Neugierig musterte er die Frau unter fragend hochgezogenen Brauen. Offenbar versuchte er sich ein Bild von ihrem Geisteszustand zu machen.
    »Glotz mich nicht so an, Omaralfred…«
    »Bin Theodor.« Er lächelte freundlich. »Einfach Bin Theodor…«
    »… ich bin nicht verrückt. Ihr hier müsst verrückt sein, wenn ihr von den Kämpfen der letzten drei Jahre nichts gehört habt! Die Daa'muren sind vor über fünfhundert Wintern mit dem Kometen auf unserer Welt gelandet …« Während der Bin Theodor den Sud erst umrührte und dann in einem Wasserbad abkühlte, berichtete Aruula von dem vergeblichen Kampf der Allianz gegen die Außerirdischen.
    »Interessant«, sagte der Heiler. »Du kommst aus Euree? Sogar von den Inseln jenseits des Kalten Sunds? Du hast Beelinn und Moska gesehen? Sogar Britana und das legendäre Meeraka?« Die hintergründige Art, wie er lächelte, verriet Aruula, dass er ihr kein Wort glaubte. »Wirklich sehr interessant.« Er füllte den Tee zu einem Drittel in einen Becher und zwei Dritteln in eine Blechschale. Damit kam er zurück zu seiner Patientin.
    »Was ist das?«, wollte Aruula wissen.
    »Medizin.« Er nahm ihre Linke und tauchte sie in die Schale mit dem Sud. Es brannte, und Aruula musste die Zähne zusammenbeißen, um nicht wieder zu schreien. »Von derselben Medizin wirst du jetzt auch trinken«, sagte Bin Theodor. »Das wird deine Schmerzen betäuben. Danach vernähe ich die Wunde. Wie bezahlst du?«
    »Darüber habe ich noch nicht nachgedacht.«
    »Typisch für Fremde auf der Durchreise.« Der Heiler lächelte verständnisvoll. »Dann denke jetzt darüber nach. Zahlungsmittel genug hast du ja.« Er reichte ihr den Becher.
    Während sie den bittersüßen Tee trank, wanderte sein Blick über Rapushnik zu ihrem Schwert, das neben der Behandlungsliege

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