160 - Martin, Deborah - Die amerikanische Braut
können, bis Ihre Gäste gegangen sind, bevor Sie … äh … Ihren ehelichen Pflichten nachkommen.“
Verdammt! Bis jetzt hatte er sich keine Gedanken darüber gemacht, welchen Eindruck es erweckte, wenn seine „Frau“ hier mit halb geöffnetem Kleid und gelöstem Korsett auf der Chaiselongue lag und er sich wie ein Wüstling über sie beugte. Er richtete sich hastig auf.
„Seine Lordschaft hat lediglich versucht, für mein Wohlbefinden zu sorgen“, erklärte Miss Mercer.
„Davon bin ich überzeugt.“ Lady Brumley bückte sich, um die Flasche aufzuheben, die Spencer auf den Boden gestellt hatte. „Was ist das? Etwas, um für Ihr … mmh … Wohlbefinden zu sorgen?“
„Das ist Riechsalz!“ fuhr Spencer sie an.
„Es ist der Met“, verkündete Miss Mercer.
Dann platzte Mrs. Graham ins Zimmer. „Oh Mylady, geht es Ihnen gut?“ Sie erfasste mit einem Blick die Situation und blickte Spencer voller Entsetzen an. „Was hat der Unmensch Ihnen angetan?“
„Raus!“ Spencer hatte genug von dieser Farce. „Alle raus! Ich möchte einen Moment allein sein mit Miss … mit meiner … Gehen Sie jetzt, und gönnen Sie einem Mann sein Privatleben.“
„Mylord, Sie müssen mich das erklären lassen …“, setzte Abby an und richtete sich auf.
Ihr Korsett fiel dabei völlig herunter und gab den Blick auf ihr Unterkleid frei, dessen Material so hauchdünn war, dass ihre dunklen Brustspitzen deutlich zu erkennen waren.
Einen Augenblick lang standen alle wie erstarrt da, auch Spencer. Er konnte seinen Blick nicht von Miss Mercer abwenden, die sich hier ihres Korsetts entledigte, als sei sie geradewegs seinen erotischen Junggesellenträumen entstiegen.
Dann schrie Lady Tyndale auf: „Aber meine Gute, Ihr Kleid!“, was Spencer aus seiner Erstarrung riss.
Er stellte sich vor die Chaiselongue, um Abby vor den Blicken des stetig größer werdenden Publikums zu schützen, das nun in sein Arbeitszimmer drängte. „Verlassen Sie jetzt das Zimmer. Alle! Sie auch, Mrs. Graham. Ich werde mich um Ihre Herrin kümmern.“
Widerstrebend zog sich die Dienerin zusammen mit den anderen zurück, die alle aufrichtig entrüstet wirkten. Sogar die neugierige Lady Brumley trat schweigend den Rückzug an – allerdings nicht, ohne das kleine Fläschchen eingesteckt und Spencer mit einem viel sagenden Blick bedacht zu haben.
Eine himmlische Stille senkte sich über sein Arbeitszimmer – bis Spencer eine klägliche Stimme hinter sich hörte: „Ich … ich bekomme das Kleid nicht zu.“
Er drehte sich zu Miss Mercer um. Sie hatte das Korsett abgelegt, sich bereits wieder in die Ärmel ihres Kleides gezwängt und versuchte nun vergebens, es zu schließen.
„Ohne das Korsett kann ich das Oberteil nicht zumachen … weil … nun …“
Er zwang sich, seinen Blick von der Stelle ihres Körpers abzuwenden, die sie daran hinderte, ihr Kleid zu schließen. Stattdessen zog er schnell seinen Frack aus und legte ihn ihr um die Schultern. Dabei atmete er wieder einen Hauch des süßlichen Kräuterduftes ein, der sie umgab. Lieblich, sinnlich, betörend …
Oh Gott, er musste aufhören, sich solchen Vorstellungen hinzugeben!
„Danke, Mylord“, murmelte sie, „ich fing gerade an, mich etwas … bloßgestellt zu fühlen.“
„Es ist meine Schuld. Ich hätte nicht Ihr Korsett zerschneiden sollen.“
Sie lächelte ihn an. „Hätten Sie das nicht getan, wäre ich umgekommen.“ Sie senkte den Kopf. „Ich komme mir sehr dumm vor. Ich bin noch nie zuvor in Ohnmacht gefallen.“
Mit einem Seufzer setzte er sich neben sie. „Unter den gegebenen Umständen war das nur verständlich. Mein Bruder wird viel zu erklären haben.“
„Sie meinen, weil er die Heirat mit einem Mann arrangiert hat, der mich gar nicht will?“ platzte sie heraus. Sie warf ihre Beine entschlossen über den Rand der Chaiselongue und begann ihre Röcke zu ordnen. „Es war dumm von mir, allen seinen Beteuerungen zu glauben. Ich hätte wissen müssen, dass Männer wie Sie nicht irgendeine unbedeutende Amerikanerin heiraten. Aber Ihr Bruder war sehr überzeugend …“
Vielleicht sollte er ihre Vermutung richtig stellen, dass sie als seine Ehefrau nicht tauge. Aber das würde auch bedeuten, ihr zu erklären, dass er überhaupt nicht vorhatte, jemals zu heiraten, was wiederum zu den üblichen Fragen führen würde. Da er darauf keine andere Antwort als die Wahrheit hatte – die er sich aber weigerte, jemand anderem anzuvertrauen –, war es besser, das Thema
Weitere Kostenlose Bücher