160 - Martin, Deborah - Die amerikanische Braut
Augen funkelten bedrohlich. „Warum sollte jemand Zweifel haben? Alle hatten Sie persönlich kennen gelernt. Es gab die Briefe mit den Heiratsversprechen. Ihr eigener Bruder machte sich für die Verbindung stark. Wie hätten da Zweifel aufkommen sollen?“
„Ich verstehe, was Sie meinen.“
Nur leicht besänftigt, zog sie sich seinen Frack, der ihr immer wieder von den Schultern rutschte, bis unter das Kinn. Spencer hatte den Eindruck, dass ihr vielleicht kalt war. Er stand auf und stocherte in der Glut, bis im Kamin wieder ein wärmendes Feuer brannte.
„Kurz nach der Hochzeit“, erzählte sie weiter, „verkündete Ihr Bruder, dass er abreisen müsse, da er schon viel zu lange von seiner Verlobten getrennt sei. Er schlug vor, dass Mrs. Graham und ich ihm folgen sollten, sobald Papa gestorben sei. Dann nahm er die Goldmünzen und ging.“
Spencer wandte sich vom Feuer ab und blickte sie an. „Und nicht einmal das kam Ihrem Vater merkwürdig vor?“
„Ich informierte ihn nicht.“ Sie lächelte schwach. „Er war zu dem Zeitpunkt schon sehr krank, und ich wollte ihn nicht beunruhigen. Er starb kurz nach der Abreise Ihres Bruders.“ Mit erstickter Stimme fuhr sie fort: „Ich glaube, dass Papa nur noch darauf gewartet hat, mich versorgt zu sehen. Er konnte so stur sein.“
„Viele Eltern sind so.“ Spencer schaute zu dem mächtigen Schreibtisch hinüber, der einst seinem Vater gehört hatte. Nachdem Theo, Spencers älterer Bruder, gestorben war, hatte sein Vater sich eine schwere Lungenentzündung zugezogen. Aber der alte Mann hatte so lange am Leben festgehalten, wie er nur konnte, in der Hoffnung, noch mitzuerleben, dass Spencer aus dem Krieg zurückkehrte und Theos Platz als sein Nachfolger einnahm. Unglücklicherweise arbeitete Spencer damals bereits als Spion – bis ihn die Nachricht vom Tod seines Bruders und der Krankheit seines Vaters endlich erreichte, war sein Vater tot.
Ohne jemals von Spencers Unzulänglichkeit als Erbe erfahren zu haben.
„Nachdem Papa gestorben war“, begann Miss Mercer erneut und riss Spencer aus seinen düsteren Gedanken, „traf ich alle Vorkehrungen für das Begräbnis, verkaufte die wenigen Habseligkeiten und verließ unser Haus, das Papa meinem Onkel vermacht hatte. Dann kamen wir hierher.“
Ihre Geschichte erklärte viel, aber noch nicht alles. „Ich verstehe nun, wieso Ihr Vater der Verbindung zugestimmt hat – aber warum Sie? Warum haben Sie sich bereitwillig auf eine Ferntrauung mit einem Mann eingelassen, den Sie kaum kannten?“
Mit einem Seufzer zog sie sich Spencers Frack wieder bis unter das Kinn. „Sie haben nicht zufällig die Briefe gelesen, die ich Ihnen gegeben habe, Mylord?“
„Nein.“ Er klopfte prüfend seine Taschen ab, bis ihm einfiel, dass er die Briefe auf den Boden hatte fallen lassen. Er fluchte. Zweifellos hatten diese Klatschweiber in der Halle eine vergnügliche Zeit bei der Lektüre! „Was stand denn in ihnen?“
„Es wird Sie hoffentlich freuen zu hören, dass Sie mir sehr überzeugend auseinander gesetzt haben, weshalb es für mich besser sei, Sie zu heiraten, als bei meinem ungeliebten Onkel zu leben.“
„Ah ja. Es war also eine praktische Entscheidung?“
„Nun ja … nicht ganz. Sie müssen wissen, dass Ihr Bruder ein wirklich vorzüglicher Lügner ist, und er schrieb mir einige sehr … schöne Dinge. Ich hätte wohl stutzig werden müssen, als er in einem seiner Briefe sogar anfing, poetisch zu werden, und schrieb, dass ich ‚in Schönheit wandelte wie wolkenlose Sternennacht’.“ Im Schein des jetzt kräftig brennenden Kaminfeuers war ihr wehmütiges Lächeln zu erkennen. „Aber da ich solche Komplimente nicht gewohnt bin, wollte ich sie wahrscheinlich einfach glauben.“
Spencer atmete tief ein. Der Teufel sollte Nat dafür holen, dass er sich daran erinnert hatte, was Spencer in dieser Nacht gesagt hatte, als er so betrunken gewesen war! „Ich habe ihm diese … äh … Gedichtzeile tatsächlich einmal rezitiert, als wir über Sie sprachen.“
Sie blickte zu ihm auf. „Oh! Tatsächlich?“
Als er den hoffenden Ausdruck in ihrem Gesicht sah, wünschte Spencer, er hätte die Begebenheit nicht erwähnt. „Ich versuchte ihm zu erklären, welchen Eindruck Sie auf andere Gentlemen machen könnten.“
Ihre Augen funkelten belustigt. „Ich verstehe. Und dafür haben Sie ein Gedicht rezitiert?“
„Ich war sehr betrunken“, gestand er mürrisch. „Es war mein letzter Abend in Philadelphia, Nat und ich
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