160 - Martin, Deborah - Die amerikanische Braut
gar nicht erst anzusprechen.
Aber er musste herausfinden, wie weit er rechtlich in die Sache verstrickt war. Und dazu musste er ihr einige Fragen stellen.
Er betrachtete ihr Gesicht. Es hatte schon wieder etwas Farbe, und Abby sah nicht so aus, als würde sie gleich wieder in Ohnmacht fallen. Eine bessere Gelegenheit als diese würde es vielleicht nicht geben, die Angelegenheit zu ergründen. „Mrs. Graham erwähnte eine Mitgift. Stimmt es, dass mein Bruder diese an sich genommen hat?“
Abby begegnete gelassen seinem Blick. „Ja.“
Spencer fluchte leise. Er hatte gehofft, dass alles nur ein Hirngespinst ihrer aufgebrachten Dienerin gewesen war. „Aber wie war das möglich? Ihr Vater hätte die Bankanweisung doch sicher auf meinen Namen ausgestellt. Und Nat hätte sie nicht ohne meine Zustimmung einlösen können.“
Sie schauderte bei der Erinnerung. „Leider bestand meine Mitgift aus Goldmünzen, die Papa angespart hatte. Er verwahrte sie zu Hause, bis ich heiraten würde.“
Spencer fuhr sich mit den Händen durchs Haar. Konnte diese Nacht überhaupt noch schlimmer werden, als sie schon war? „Ich wage ja kaum zu fragen, aber wie hoch war die Mitgift?“
„Papa ließ sie für Ihren Bruder in englischen Pfund schätzen, und soweit ich mich erinnere, handelte es sich um etwa fünftausend Pfund.“
Ja, die Nacht konnte tatsächlich noch schlimmer werden. Fünftausend Pfund war eine Summe, die einen Mann durchaus in Versuchung führen konnte, dessen jährliches Einkommen nicht annähernd so hoch war. „Miss Mercer, vielleicht sollten Sie mir erklären, wie es eigentlich zu dieser Hochzeit kam.“
„Gerne.“ Obwohl sie sich aufrecht hielt, konnte er aus dem Zittern ihres Kinns schließen, wie sehr sie um Fassung rang. „Nachdem Sie Philadelphia verlassen hatten, war Nathaniel sehr aufmerksam Papa gegenüber.“
Den Vornamen seines Bruders aus ihrem Mund zu hören, machte ihn plötzlich wütend. „Und scheinbar auch Ihnen gegenüber! Sie reden sehr vertraut von ihm.“
Sie reckte trotzig ihr Kinn. „Er bat mich darum, da ich ja nun bald seine Schwester sein würde.“
Spencer seufzte. „Ja, richtig. Erzählen Sie weiter.“
„Papa hatte schon immer vorgehabt, die Hälfte seines Unternehmens meinem Mann zu überlassen, wer auch immer das sein würde. Er hoffte sehr, dass Ihr Bruder mich heiraten würde, aber Nathaniel beteuerte, sein Herz sei bereits vergeben.“ Ihre schönen Augen funkelten. „Vermutlich war auch das eine Lüge.“
„Nein“, versicherte ihr Spencer, „das stimmt tatsächlich. Seine Verlobte ist heute Abend sogar anwesend. Sie kam vorhin als Erste ins Arbeitszimmer.“
„Oh.“ Abby betrachtete angelegentlich ihre Hände. „Die elegante, junge blonde Dame.“
„Die beiden haben schon seit einiger Zeit vor zu heiraten.“ Spencer stand auf und begann im Zimmer auf und ab zu gehen, da ihm seine Unruhe nicht länger erlaubte, still zu sitzen. „Heute Abend war das Verlobungsdiner der beiden, aber Nat ist nicht erschienen.“
Abby runzelte die schöne Stirn. „Könnte er von meiner Ankunft in England erfahren haben?“ Sie dachte einen Moment nach. „Aber ja, natürlich! Ich habe Ihnen doch einen Brief geschrieben. Er muss ihn abgefangen haben.“
„Das würde zumindest erklären, warum er in der letzten Zeit ein so auffälliges Interesse an der Post hatte. Wie viele Briefe haben Sie mir geschrieben?“
„Zwei. Einen gleich nach unserer Hochzeit und einen weiteren wegen der Reise. Für mehr war keine Zeit.“ Sie schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn. „Aber den ersten gab ich Nat mit, als er zurückreiste.“
„Ich verstehe. Und nachdem er den zweiten Brief auch unterschlagen hatte, wird er jemanden zum Hafen geschickt haben, der nach Ihrem Schiff Ausschau hielt und ihn dann benachrichtigte.“ Spencer fluchte innerlich. „Was auch die Nachricht erklären würde, die Nat kurz vor seinem Verschwinden erhalten hat.“
Die Gründlichkeit, mit der dieser Plan ausgearbeitet worden war, erschreckte Spencer. Welchen Zweck konnte Nat damit verfolgen? Sich die Mitgift mitsamt der Firma anzueignen? Nat hatte schon viele Dummheiten in seinem Leben begangen, aber nie hatte er etwas gestohlen.
Spencer setzte sich nachdenklich an seinen Schreibtisch. „Sie haben mir von unserer Ferntrauung erzählt …“
„Ja. Nachdem Nathaniel klar wurde, dass Papa das Unternehmen nur meinem Onkel oder aber meinem Ehemann hinterlassen würde, versuchte er Papa
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