160 - Martin, Deborah - Die amerikanische Braut
Kopf gehen! Aber diesmal würde Abby sich seinem Wunsch widersetzen. Hier bot sich eine Gelegenheit, sein Verhalten gegenüber Kindern zu testen, die sie sich nicht entgehen lassen wollte. Einen Versuch war es wert -auch wenn sie ihn damit verärgerte.
15. KAPITEL
Wenn Kinder im Haushalt leben, erfordert das vom Butler besondere Fähigkeiten. Nehmen Sie keine Stellung bei Herrschaften an, die noch Kinder erwarten könnten, wenn Sie nicht bereit sind, sich diese Fähigkeiten anzueignen.
Empfehlungen für den unerschütterlichen Diener
Abby konnte ihre Freude kaum verbergen, als sie umgeben von plappernden Kindern an dem langen Tisch im Schulzimmer saß und Seidenbänder zurechtschnitt. Es war kaum zu glauben, dass diese unschuldig aussehenden Wesen einmal Diebe gewesen waren – bis man ihnen beim Arbeiten zusah. Ihre kleinen, geschickten Hände waren so flink, dass Abby ihnen kaum folgen konnte.
„Sie sind wirklich wunderbar“, sagte sie zu Clara. „Dein Heim leistet gute Arbeit.“
Clara beschriftete sorgfältig ein Etikett und zog amüsiert eine Augenbraue hoch. „Dir ist wahrscheinlich entgangen, dass Jack vorhin versucht hat, eine der Porzellanfiguren im Treppenhaus einzustecken, oder dass Mary mit Scharfblick das gesamte Silber inspiziert hat.“
Abby schaute sie mit großen Augen an. „Sie würden uns bestehlen?“
„Wenn sie sicher sind, dass es niemand bemerkt …“
Clara wandte sich einem siebenjährigen Mädchen zu, das Parfüm in eine der vorbereiteten Flaschen füllte, und half ihr, den schweren Krug zu halten. Das Mädchen hieß Lily und lächelte sie schüchtern an.
Abbys Herz schmolz dahin. „Ach, sollen sie doch stehlen, was sie wollen. Spencer kann es weiß Gott verschmerzen.“
„Sei lieber vorsichtig mit deinen Worten“, warnte sie Clara, doch ihre Augen funkelten verschmitzt. „Ich versuche ihnen doch beizubringen, nicht zu stehlen.“
„Ich würde nichts stehlen“, verkündete Lily bestimmt. „Ich habe nicht mehr gestohlen, seit ich ganz klein war.“
Clara lachte. „Du weißt ja auch, dass du Ärger mit mir bekommen würdest, wenn du es tätest.“
Lily verzog das Gesicht. „Ich habe auch gar nicht gerne geklaut. Es ist viel zu aufregend, weil man immer erwischt werden kann.“
Abby konnte sich nur schwer vorstellen, dass Kinder stehlen mussten. Aber sie hatte gehört, dass es in London keine Seltenheit war – und hart bestraft wurde.
Kein Wunder, dass Clara sich so sehr für ihr Heim einsetzte.
„Werden wir wohl heute fertig?“ meinte Clara, als sie durch das Fenster in die einsetzende Dämmerung blickte.
„Ich denke, ja. Wie viele Flaschen haben wir schon, Jack?“ fragte Abby den schlaksigen Elfjährigen, der damit beschäftigt war, Etiketten auf die Flaschen zu kleben.
„Neunundachtzig, Mylady.“ Jack schaute Lily finster an. „Einundneunzig, wenn unser Fräulein Tollpatsch nicht zwei fallen gelassen hätte.“
„Aber da war eine Spinne!“ Lily schob trotzig ihre Unterlippe vor. „Ich kann Spinnen nicht leiden.“
„Ich auch nicht.“ Abby tätschelte Lilys Hand. „Zwei Flaschen weniger werden uns nicht ruinieren. Und wir haben ja noch etwas Zeit, nicht wahr, Clara?“
„Ja. Aber ich werde jemanden mit einer Nachricht ins Heim schicken müssen, damit sie uns das Abendessen aufheben.“
„Unsinn, ihr könnt alle hier essen“, sagte Abby. „Ich habe das schon mit dem Koch besprochen. Nachdem ihr mir alle so gut geholfen habt, ist es das Mindeste, was ich tun kann.“
Clara biss sich auf die Unterlippe. „Und Spencer? Bist du sicher, dass er nichts dagegen hat, wenn die ganze Bande an seinem Tisch sitzt?“
„Er hat mir erlaubt, dass sie alle hierher kommen dürfen“, wich Abby der Frage aus. „Ich habe ein ganz spezielles Essen vorbereiten lassen: Suppe, Schweinspastete und Würstchen. Lauter Sachen, die Kinder mögen.“ Und Spencer auch.
Ihr kam plötzlich ein Gedanke, und sie fuhr erschrocken auf. „Mrs. Graham, Sie haben dem Koch doch gezeigt, wie man die Muschelsuppe zubereitet?“
„Und ob ich das habe!“ Mrs. Graham band grimmig ein Stück Band um einen Flaschenhals. „Sie hätten den dummen Mann hören sollen, wie er sich beschwerte, dass er Speck zu den Muscheln geben sollte. ‚Als Nächstes wollen Sie wahrscheinlich auch Muscheln zu ihrem Schweinebraten’, sagte er. Ich meinte nur zu ihm, dass Mylady es so will und dass er gut daran tue, es richtig zu machen. Mr. McFee wird ein Auge auf ihn haben. Er
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