160 - Martin, Deborah - Die amerikanische Braut
kümmert sich auch um das Zitroneneis.“
„Zitroneneis!“ rief Jack. „He, habt ihr das gehört? Heute Abend gibt es Zitroneneis!“
„Man könnte fast glauben, dass sie bei mir nur Hafergrütze bekämen“, stellte Clara trocken fest.
Die Begeisterung der Kinder steckte Abby an. „Ach, du weißt, wie Kinder sind. Der Reiz besteht doch auch darin, einmal woanders zu essen.“
„Nicht nur. Das Heim könnte es sich gar nicht leisten, für alle Kinder im April Zitroneneis zu kaufen. Das kostet ein Vermögen.“ Clara sah Abby stirnrunzelnd an. „Ich hoffe, du weißt, was du da tust.“
„Oh ja“, beruhigte Abby ihre Freundin, wenngleich sie sich ihrer Sache nicht wirklich sicher war. Aber sie musste einfach herausfinden, ob Spencer wirklich keine Kinder mochte. Selbst wenn er etwas gegen die anfallenden Kosten einzuwenden hatte, war das auch schon aufschlussreich.
Die Tür zum Schulzimmer öffnete sich, und ein junges Kindermädchen kam herein, die einen zufrieden glucksenden Säugling trug. „Die Kleine ist gerade von ihrem Nickerchen aufgewacht, Mylady“, sagte das Mädchen, „und ich dachte, dass Sie vielleicht nichts dagegen hätten, wenn ich sie Ihnen vorbeibringe.“
„Aber natürlich haben wir nichts dagegen“, antwortete Abby für Clara. Sie streckte ihre Arme aus und schaute Clara fragend an: „Darf ich sie einmal halten?“
„Natürlich“, erwiderte Clara lächelnd.
Das junge Kindermädchen schien sehr erleichtert zu sein, das Kind abgeben zu können, denn Lydia war für ihre neun Monate schon recht groß. Abby schloss Lydia in die Arme und war ganz verzaubert von ihren großen braunen Augen und dem warmen Geruch, den das Baby verströmte. Oh, wenn dies nur ihr Kind wäre – ihres und Spencers …
Während sie noch hingerissen vom Anblick Lydias war, öffnete sich die Tür erneut. „Was zum Teufel …“
Abbys Kopf fuhr hoch, als sie Spencers Stimme hörte. Sie bemerkte den Ausdruck ehrlicher Bestürzung in seinem Gesicht, und die Begrüßungsworte erstarben auf ihren Lippen. Spencer starrte wie gebannt auf Abby und Lydia.
„Verzeih mir, wenn ich störe.“ Er klang sehr gereizt. „Abby, ich möchte mit dir reden. In meinem Arbeitszimmer.“
Abby verschlug es fast den Atem, als ihr sein kalter Blick auffiel. „Ja, natürlich“, erwiderte sie atemlos. Jetzt hatte sie ihre Antwort darauf, wie Spencer zu Kindern stand. Und leider war es nicht die Antwort, die sie erhofft hatte.
Spencer ging in seinem Arbeitszimmer auf und ab und konnte nur mit Mühe den Impuls unterdrücken, irgendetwas zu zerschlagen. Er musste sich unbedingt wieder unter Kontrolle haben, bevor Abby kam. Er war ein erwachsener Mann. Wie war es möglich, dass eine Horde Kinder ihn derart aus der Fassung brachte?
Weil er Abby in ihrer Mitte gesehen hatte. Weil sie die kleine Lydia in ihren Armen gehalten und das Kind mit einer solchen Sehnsucht betrachtet hatte, dass die bloße Erinnerung daran schmerzhaft Spencers Innerstes durchzuckte.
Zum Teufel mit ihr! Sie hatte es absichtlich so eingerichtet, dass die Kinder bei seiner Rückkehr noch da waren, dessen war er sich sicher.
Die Tür öffnete sich, und Abby trat ein, aber Spencer ließ ihr keine Zeit, zu Wort zu kommen.
„Was machen diese Gören noch hier?“ fuhr er sie an. Als er das Entsetzen in ihren Augen bemerkte, verstärkte sich noch der Schmerz, den er empfand, doch er konnte seine harten Worte nicht länger zurückhalten. „Ich habe dir gesagt, dass ich sie nicht hier sehen will. Und gib nicht vor, dass du die Zeit vergessen hast – es ist fast dunkel draußen!“
Obwohl alle Farbe aus Abbys Gesicht gewichen war, hielt sie seinem Blick stand. „Wir waren noch nicht fertig.“
„Das ist mir gleichgültig.“ Das Bild Abbys, die den Säugling in ihren Armen hielt, wollte ihm nicht aus dem Sinn. Er würde ihr nie ein Kind schenken können, ihm würde es nie vergönnt sein, diesen zärtlichen Ausdruck in ihre Augen zu zaubern. Das machte ihm mehr zu schaffen, als er vermutet hatte.
Er biss die Zähne zusammen. „Ich will, dass sie sofort verschwinden.“
Abby hob trotzig den Kopf. „Das geht nicht. Sie haben den ganzen Tag hart gearbeitet und eine Belohnung verdient. Ich habe ihnen versprochen, dass sie zum Abendessen bleiben können. Und ich werde mein Wort halten, auch wenn es dein sorgsam eingerichtetes Leben durcheinander bringt.“
Durcheinander bringen? Wenn sie nur wusste! „Gut, dann gib ihnen meinetwegen etwas zu essen. Ich
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