1600 - Wenn die Sterne erlöschen
Bull?"
„Vielleicht später", sagte ich ausweichend. „Ich habe ja reichlich Zeit. Mich würde zuerst viel mehr interessieren, was aus den Arachnoiden geworden ist. Habt ihr in dieser Richtung brauchbare Ergebnisse erzielt?"
„Das war uns nicht möglich, mein lieber Bull", sagte Zerberus sarkastisch. „Solange du das technische Gerät versiegelt hältst, können wir nicht vernünftig arbeiten und diesbezüglich nur vage Spekulationen anstellen. Wir müssen uns darauf beschränken, aus den Gegebenheiten und den stattgefundenen Ereignissen Schlüsse zu ziehen. So müssen die Arachnoiden imstande gewesen sein, Sonnen zu zünden und diesen Vorgang auch nach Belieben zu steuern. Aber das ist uns sowieso allen klar."
„Ich ziele gar nicht auf ihre technischen Möglichkeiten ab", erwiderte ich. „Mich interessiert viel mehr, warum sie ihr Sternenimperium zerstört haben und ob und warum sie damit Kollektivsuizid begangen haben."
„Es bietet sich hier eine mögliche Parallele zu den Archäonten an", beeilte sich der Xenobiologe Lanc Marcarb zu sagen, bevor sein Chef das Wort ergreifen konnte. „Es scheint nämlich, daß die Arachnoiden eine Rückentwicklung durchmachten. Sie degenerierten körperlich, entwickelten sich zu einer Form von Urspinnen zurück, wie sie ihre planetengebundenen Urahnen gewesen sein mußten. Zumindest trifft das auf die beiden Exemplare zu, die ich untersucht habe.
Was das für Auswirkungen auf ihre Psyche hatte, das kann ich nicht sagen. Aber daß diese Devolution nicht das gesamte Volk betroffen hat, steht fest. Uns stehen nämlich nicht nur die beiden degenerierten Exemplare zur Verfügung, sondern auch die Überreste eines Arachnoiden der Jetztzeit."
„Ich glaube, ich möchte nun das Untersuchungsergebnis der beiden Leichen sehen", sagte ich. „Danach vielleicht die Simulation."
*
Der Arachnoide hatte acht Beine, die aus dem braunschwarzen, chitinbewehrten Brustteil wuchsen. Der halslos daran anschließende unbewegliche Kopf besaß acht zu je zwei Paaren angeordnete starre Punktaugen mit großem Blickfeld. Die beiden Oberkiefer waren stark, wie bei einem Räuber ausgebildet, die freigelegte Giftdrüse deutlich zu sehen. In der Vergrößerung waren auch die Giftkanäle der kräftigen Oberkiefer gut zu erkennen. Ebenso die kleineren Unterkiefer mit den mehrgliedrigen Tastern, die als Kauplatten ausgebildet waren.
Die beiden hinteren Beinpaare waren siebengelenkig und eineinhalb Meter lang und wirkten kräftig und derb, dazwischen lag der wie geschwollen wirkende Hinterleib mit den deutlich hervortretenden Spinnwarzen an seinem unteren Ende.
Die beiden vorderen Beinpaare waren verkümmert und nur halb so lang; sie dienten keineswegs mehr zur Fortbewegung, sondern waren offensichtlich zu Handlungswerkzeugen ausgebildet worden. Die Kammklauen der oberen Extremitäten zeigten sich als bewegliche, sensible Greifer.
Der Arachnoide erreichte, wenn er sich auf die vier Beine aufrichtete, eine Größe von über zwei Metern und wirkte gedrungen. Mit abgewinkelten Beinen, in geduckter Sprunghaltung, war er nicht größer als 1,20 Meter. „Das ist die Rekonstruktion der beiden Arachnoiden, die wir gefunden haben", erklärte Lanc Marcarb, als er mir in seinem Labor das Hologramm eines Arachnoiden zeigte. Wir waren allein, Zerberus und der Xenologe hatten sich zurückgezogen; offenbar interessierte sie das, was mich erwartete, nicht. „Übrigens handelt es sich um ein Männchen und ein Weibchen", fuhr Lanc Marcarb zwinkernd fort. „Die ausgesaugten Überreste, die wir im Spinnennetz gefunden haben, stammten vom Weibchen. Es wurde vom Männchen mitsamt der Brut gefressen. Ein typischer Fall von Kannibalismus, der aber auf die Rückentwicklung zurückzuführen sein muß. Die Giftdrüse ebenso wie die Spinnwarzen, der mörderische Kiefer und der extraintestinale Apparat zur Erzeugung von Magensäure, wirken neben ein paar anderen biologischen Ungereimtheiten nämlich wie Fremdkörper. Meiner Meinung nach war das Volk der Arachnoiden längst nicht mehr in der Lage, Netze zu spinnen oder Gift und Verdauungssäfte oral zu produzieren und die Nahrung extraintestinal, also außerhalb des Magens, zu verarbeiten. Für mich gibt es nur zwei Möglichkeiten für diese Veränderungen: Entweder sind diese beiden Exemplare untypisch für die ganze Spezies, also lediglich irgendwelchen Experimenten entsprungene Mutationen. Oder aber das gesamte Volk der Arachnoiden hat sich bewußt, oder auch
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