1601 - Die wilde Schlacht
wolkenlosen Winterhimmel, auf dem es keine wilde Schlacht gegeben zu haben schien…
***
Ich wusste nicht, was ich sagen oder denken sollte. Ich stand auf dem Fleck und schaute auch nicht zu Raniel hin. Ich kam mir vor, als hätte man mir die Beine unter dem Körper weggezogen, denn als einen Sieger sah ich mich nicht an.
Mir ging es um Anna Eichler. Ich hatte ihre Entführung nicht verhindern können. Zudem war ich nicht der Einzige, der an sie dachte, denn hinter mir hörte ich das Geräusch von knirschenden Schritten im Schnee, und wenig später vernahm ich auch eine Stimme, die mir nicht unbekannt war.
»Wo ist meine Tochter?«
Ich drehte mich um.
Jetzt schaute mich Franz Eichler an, und der quälende Ausdruck in seinem Gesicht war nicht zu übersehen. Dann sagte er mit kratziger Stimme: »Ich bin der Schuldige. Ich hätte die Sprengung nie und nimmer zulassen sollen. Jetzt habe ich Anna verloren.« Er fing an zu weinen.
Ich stand wie ein Idiot vor ihm. Ich hatte versagt. Ich hatte überhaupt nicht viel dazu beigetragen, dass die wilde Schlacht siegreich hatte beendet werden können.
John Sinclair, der Geisterjäger, war zu einem Versager geworden.
Damit fertig zu werden war nicht leicht.
Franz Eichler wischte über seine Augen. »Können Sie es mir nicht sagen, Herr Sinclair?«
Ja, ich hätte es ihm sagen können. Nur brachte ich kein Wort über die Lippen. In mir befand sich ein Vakuum, und dass ich die Schultern hob, war eine typische Geste.
Die nächste Frage schockte mich. In Anbetracht der Lage war sie nicht falsch.
»Ist Anna denn tot?«
Franz Eichler wollte eine Antwort haben. Ich brachte noch immer kein Wort über die Lippen. Dafür hörte ich den geflüsterten Satz des Gerechten.
»Du musst dem Mann die Wahrheit sagen.«
Ich nickte. Es war so verdammt schwer. Ich hatte auch Mühe, dem Mann in die Augen zu schauen. Die Schuld lag einfach wie eine schwere Last auf mir.
Aber ich rang mich durch. Es sollte mit einem Nicken beginnen, als wir plötzlich eine Stimme hörten.
»Suchst du mich, Vater?«
Ein Schrei löste sich von Eichlers Lippen, dann fuhr er herum, und er konnte seine Tochter sehen.
Ich sah sie auch.
Und ich bekam große Augen, denn Anna Eichler war nicht allein. Sie hätte jemanden mitgebracht, und das sah wohl nicht nur ich als ein Wunder an.
Neben ihr stand eine Lichtgestalt!
***
Es waren Augenblicke, die man nie in seinem Leben vergisst. Ich wusste nicht, was ich denken sollte, ich spürte nur die Erleichterung, die mich vom Kopf bis zu den Füßen durchströmte.
Manchmal werden Wunder wahr.
Besonders kurz vor Weihnachten.
Die Lichtgestalt funkelte, als bestünde sie aus Gold, aber das nur für einen winzigen Augenblick, denn beim erneuten Hinschauen war der Lichtgefährte nicht mehr zu sehen.
Vor uns stand Anna Eichler. Unversehrt. Ihr war nichts geschehen, und ich hörte Raniels leise Bemerkung: »Dann kann ich mich ja verabschieden, John. Jetzt kannst auch du Weihnachten feiern.«
»Ja, schon…«
Ich achtete nicht mehr auf ihn, denn Anna kam auf mich und ihren Vater zu, und ich sah, dass sie einen gelösten und auch zufriedenen Eindruck machte.
Ihr Vater fragte: »Wo bist du gewesen, Kind?«
»Das weiß ich selbst nicht so genau. Aber eines kann ich dir sagen, Vater. Ich glaube jetzt daran, dass es Schutzengel gibt. Nein, ich weiß es. Und von diesem Wissen kann mich niemand mehr abbringen.«
Es war eine Antwort, die auch mich zum Lächeln brachte…
ENDE des Zweiteilers
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