1601 - Die wilde Schlacht
bezeichnet hatte.
Die Sekunden des Überlegens waren vorbei. Ich wollte mich um meinen Feind kümmern. Vor allen Dingen brauchte ich einen besseren Überblick. Den erhielt ich nur, wenn ich meinen Platz verließ. Das kleine Monster konnte sich nicht in Luft aufgelöst haben, und viele Verstecke gab es in dieser Umgebung wahrscheinlich nicht.
Ich stapfte durch den tiefen Schnee und konzentrierte mich auf das Fenster, durch dessen Scheibe die Fratze gestarrt hatte. Der Platz davor war leer. Wo die Füße gestanden hatten, war der Schnee getaut. Da war nur noch eine Pfütze zurückgeblieben.
Wohin war das Monster geflohen?
Dabei stellte sich die Frage, ob man wirklich von einer Flucht sprechen konnte. Ich dachte mehr an eine Taktik und war entsprechend auf der Hut.
In meiner Nähe hörte ich nichts, was mir hätte verdächtig vorkommen müssen. Man konnte schon von einer gefährlichen Ruhe sprechen, die sich im Ort ausgebreitet hatte.
Der Schnee hatte auch seinen Vorteil. Egal, ob Mensch oder Tier, niemand würde es schaffen, sich lautlos zu bewegen. Wenn ein Fuß ihn zusammendrückte, entstand jedes Mal ein Knirschen.
Ich legte noch einige Meter zurück. Danach blieb ich stehen und drehte mich wieder um. Jetzt war mein Blickwinkel recht gut. Der anbrechende Morgen tat sein Übriges, um die Umgebung zu erhellen. Dabei gelang mir auch der Blick auf das Dach.
Bei meinem Kommen hatte ich die Schneeschicht gesehen, mit der das Dach bedeckt war. Auch jetzt lag sie noch wie eine dicke Watte darauf, und trotzdem hatte sich etwas verändert.
Vom Beginn des Dachs bis hoch zum First sah ich einen schmalen Streifen, der durch den Schnee gepflügt worden war. Ich wusste nicht, wie er dorthin gekommen war, konnte mir allerdings gut vorstellen, dass die gefährliche Kreatur diesen Weg genommen hatte und sich möglicherweise an der Rückseite des Hauses befand.
Hinlaufen oder nicht?
Der Gedanke war noch nicht zu Ende gedacht, als es geschah. Mein Feind hockte noch auf dem Dach. Nur an der anderen Seite, die ich nicht einsah.
Er war besser dran, und er arbeitete mit allen Tricks. Nicht er sprang vom Dach her auf mich zu. Er schickte mir eine Schneeladung entgegen.
Ich sah sie in einer recht breiten Front rutschen, und bevor sie vom Dach fiel, schien sie noch mal schneller zu werden, damit sie auch den nötigen Schwung hatte, um mich zu erreichen.
Ich sprang automatisch zurück, bekam allerdings im Schnee meine Probleme.
So verlor ich für einen Moment die Übersicht. Zudem nahm der fallende Schnee mir die Sicht, und als ich wieder klar sah, da hatte ich Glück, die Kreatur überhaupt zu sehen.
Denn sie wollte nicht mich.
Sie verschwand in diesem Augenblick durch die offene Haustür…
***
Franz Eichler hielt es nicht länger auf der Ofenbank aus. Er wollte endlich sehen, was draußen geschah. Schnell aufstehen konnte er nicht, dazu war es zu eng, doch als er zur Seite rutschte, hielt seine Tochter ihn fest.
»Bist du verrückt? Wo willst du hin?«
»Ich habe noch eine Rechnung offen«, flüsterte er. »Denk daran, was deiner Mutter fast passiert wäre.«
»Ja, schon gut. Aber…«
»Kein Aber.« Franz Eichler riss sich los. Er wollte es dem Fremden, seiner Tochter und sich selbst beweisen, dass er noch nicht zum alten Eisen gehörte und man mit ihm nicht so umspringen konnte.
Anna schickte ihm einen Fluch nach. Sie selbst blieb auch nicht an ihrem Platz, aber ihr Vater hatte schon einen zu großen Vorsprung. Er wollte zur Haustür hin, die offen stand, denn es wehte aus dem Freien ein kalter Luftzug ins Haus.
Anna war bis zur Küchentür gekommen, als sie den lauten Schrei hörte.
Und der stammte von ihrem Vater.
Sie schrie seinen Namen, sprang auf die Küchentür zu und erreichte sie nicht, denn der Körper ihres Vaters versperrte ihr den Weg. Vom Flur her war er in den gemütlichen Raum hineingestoßen worden. Es war auch nicht zu übersehen, dass Blutstropfen sein Gesicht umsprühten. Sie stammten von einer Wunde am Hals.
Franz Eichler brach zusammen. Das Monster war da, aber es kümmerte sich nicht um den Mann, sondern wandte sich Anna zu.
Sie wich zurück, stieß gegen den Tisch und sah dicht vor sich das Gesicht mit dem weit aufgerissenen Maul, dessen Gebiss an einigen Stellen blutig schimmerte.
Anna wusste nicht, was sie tun sollte. Sie handelte im Reflex und griff nach der nicht eben leichten Kaffeekanne aus Porzellan. Sie wuchtete sie gegen die Gestalt.
Das kleine Untier stockte für einen
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