1601 - Die wilde Schlacht
Gleichgewicht zu bewahren.
Anna und ich waren nicht mehr allein auf der Straße. Plötzlich war der Ort belebt. Die Bewohner hatten ihre Häuser verlassen. Nicht alle wussten, was passiert war, zudem war die Kreatur momentan nicht zu sehen, weil sie sich zwischen den Häusern verborgen hielt.
Den nächsten Weg zur Kirche kannte ich nicht. Ich musste ihn mir erst suchen, was nicht weiter tragisch war, da ich die Richtung kannte. Der Schnee blieb das Hindernis. Es gab keine Stelle, an der er geräumt oder geschmolzen wäre. Ich lief in eine Gasse, in die Annas Fußspuren führten.
Und dann sah ich die Kirche, aber auch das gewaltige Monster. Die freie Fläche vor dem Gotteshaus bot ihm genügend Platz, und als es jetzt dem Boden entgegenschwebte, wirkte es wie ein UFO, das eine tierische Form hatte und aus irgendeiner fremden Galaxis stammte.
Gewaltige Schwingen. Zu ihnen gehörte der mächtige Körper. Auch der hässliche Kopf mit den glutroten Augen. Es hatte jetzt sein Ziel erreicht.
Noch war kein Mensch zu Schaden gekommen, bis auf wenige Ausnahmen hatten sich alle Personen zurückgezogen. Diejenigen, die noch geblieben waren, hielten es auch nicht länger aus. Sie liefen von der Kirche weg, auf deren Vorplatz das Untier gelandet war.
Auch ich hatte angehalten. In der Nähe öffnete sich eine Tür. Ich drehte mich nach rechts und sah eine alte Frau, die mit gefalteten Händen auf der Schwelle stand.
»Das ist der Anfang vom Ende«, flüsterte sie. »Wir werden bald den Weltuntergang erleben. Himmel, wir müssen beten, beten, beten damit wir zu den Gerechten gehören.«
Ich konnte die Frau verstehen. Das Erscheinen dieser Gestalt hatte etwas von dem Tier an sich, über das in der Offenbarung des Johannes geschrieben worden war.
Aber hatte ich hier tatsächlich den großen Widersacher vor mir? Ich konnte es nicht glauben und dachte an eine Spielart der Hölle. Das Monster hätte sich die Menschen packen und sie töten können, doch nichts wies darauf hin, dass es diesen Plan überhaupt in Erwägung zog.
Es blieb auf dem Vorplatz der kleinen Kirche, wo es gelandet war. Nicht weit von zwei mit Schnee bedeckten Tannenbäumen entfernt, die zu ihm passten wie die Faust aufs Auge.
Ich war froh, dass auch die letzten Menschen aus der unmittelbaren Nähe dieser Kreatur verschwunden waren und sich in Sicherheit gebracht hatten.
Und ich ging vor.
Ja, ich wollte schon jetzt so etwas wie eine Entscheidung und kam mir dabei verdammt klein vor. Es sah mutig aus, was ich tat. Niemand schaute in mein Inneres, in dem sich der Druck verstärkt hatte. Auf meinem Rücken lag ein Schauer. Um den Kopf des Monsters zu sehen, musste ich meinen Kopf in den Nacken legen.
Mir fiel jetzt auf, dass dieser fliegende Teufel die gleiche Position eingenommen hatte, wie ich sie auf dem Foto gesehen hatte. Es hockte, es wirkte äußerlich ruhig, doch man konnte diese Haltung auch als sprungbereit ansehen. Es konnte sich von einem Augenblick zum anderen lösen und sich seinem Feind entgegenwerfen.
Ich spürte den Druck des Schwertes an meiner linken Seite. Es war wie ein Signal, die Waffe zu ziehen und mich zum Kampf zu stellen. Genau das tat ich, obwohl ich das Gefühl hatte, ein Zwerg zu sein und vor einem Riese zu stehen.
Und dann gab es noch das Kreuz. Noch war es durch den Pullover verborgen, wobei ich mich darüber wunderte, dass es sich nicht meldete.
So etwas konnte ich nicht fassen. Das war ein Anachronismus, und ich fing an, das Vertrauen in mein Kreuz zu verlieren.
Nach dem dritten Schritt hielt ich an. Es war eine gefährliche Distanz zwischen mir und dem Monster. Wenn es sich jetzt abstieß, würde es mich mit einem Sprung erreichen und auch zerreißen können. Das zu wissen machte mich nicht eben fröhlicher.
Mit der freien Hand griff ich in meinen Nacken, um dort die Kette zu fassen. Ich zog das Kreuz an der Brust entlang hoch, ohne meinen Feind aus den Augen zu lassen.
Der Urteufel bewegte sich nicht, und ich hütete mich ebenfalls davor, auch nur einen Schritt nach vorn zu gehen. Auf keinen Fall hatte die Anspannung in mir nachgelassen, und sie stieg sogar noch an, als ich das Kreuz endlich freilegen konnte.
Das war es doch!
Jetzt konnte ich…
Nein, ich tat noch nichts, denn ich sah, dass sich an den vier Enden des Kreuzes so etwas wie Wolken gebildet hatten, die auf den vier Buchstaben lagen und sie wie unter einer Nebelschicht verschwinden ließen. Was das zu bedeuten hatte, war mir unklar. Die Wahrheit erfuhr
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