1603 - Der Geistertänzer
haben.«
»Dann lass uns mal unser Glück versuchen. Ich jedenfalls kann mit keiner neuen Nachricht aufwarten.«
»Wenn diese hier was bringt, ist alles andere nicht mehr wichtig, Suko.«
Ich war von meinen Worten überzeugt und schloss mich Suko an, als er den Raum verließ.
Die Stimmen wollten mir nicht aus dem Kopf. Ich hatte zwar nichts verstanden, aber das war auch nicht nötig, wenn ich es mir recht überlegte. Die Reaktion meines Kreuzes hatte mir gezeigt, dass im Hintergrund etwas lauerte und wir uns nicht auf der falschen Spur befanden.
Es war fast ein Risiko, die schmale Treppe hinabzusteigen. Von unten her hörten wir Musik. Klassische Klänge. Sie taten der Seele gut und lockerten die Atmosphäre auf.
Gwen Milton hatte uns schon gehört. Sie wartete auf uns im Flur. Die Musik hatte sie leiser gedreht.
»Nun, was herausgefunden?«
Ich schüttelte den Kopf. »Leider nicht.«
Mrs. Miltons Gesicht zeigte einen tief enttäuschten Ausdruck. »Sollte ich mich denn so geirrt haben, was diese Stimmen angeht?« Sie schlug gegen ihr Ohr. »Ich bin doch nicht taub.«
»Das sind Sie bestimmt nicht«, bestätigte ich ihr. »Aber es ist nun mal so.«
»Dann hat sich Ihr Besuch wohl nicht gelohnt«, sagte sie.
Ich winkte ab. »Das kann man so nicht sagen.«
Sie wurde wieder munter. »Ach, haben Sie doch etwas gesehen oder gefunden?«
»Vielleicht. Wie Sie wissen, suchen wir Isabel Kessler als Zeugin. Doch sie hat sich nichts zuschulden kommen lassen, das will ich noch mal festhalten. Allerdings haben wir etwas entdeckt. Einen Namen und eine Telefonnummer.«
Ich zeigte der Frau den Zettel, den sie sich genau anschaute.
»Kennen Sie den Namen Paula Ashley und auch die Telefonnummer?«, fragte ich.
»Ja, der Name sagt mir etwas.«
»Oh, dann sind wir schon einen Schritt weiter. Wofür steht er denn?«
»Isabel hat diese Paula Ashley einige Male erwähnt.«
»Sind die beiden befreundet?«
Mrs. Milton verzog die Lippen. »Das kann ich Ihnen beim besten Willen nicht sagen. Fremd sind sie sich jedenfalls nicht. Paula Ashley arbeitet in dem Theater als Garderobiere, in dem Isabel auftritt. Mrs. Ashley war sogar schon mal hier. Es ging um eine Anprobe.«
»Gut. Mehr wissen Sie nicht?«
Sie verdrehte die Augen. »Meine Güte, was wollen Sie denn noch alles wissen?«
»Ich hätte gern erfahren, wie Sie diese Mrs. Ashley einschätzen. Das ist es.«
»Das kann ich Ihnen nicht sagen. Sie war mir recht sympathisch, und sie hat noch Kollegen gekannt, mit denen ich früher auf der Bühne gestanden habe. Mehr weiß ich nicht von ihr.«
»Und Sie wissen auch nicht, ob das ihre Telefonnummer ist?«
»Nein.«
»Danke.«
Ich drehte mich zu Suko hin. Er stand in einer Ecke und telefonierte. Es war zu hören, wie er sich bedankte und mir dann zulächelte.
»Wir können fahren«, sagte er.
»Du hast die Adresse?«
Er nickte.
Wir bedankten uns bei Mrs. Milton für die Auskünfte und verließen ihr Haus.
Zumindest sahen wir jetzt Licht am Ende des Tunnels.
***
Schweigen - das große Schweigen hatte sich über den Raum gelegt.
Das musste so sein, denn Paula Ashley brauchte die Stille, um sich konzentrieren zu können.
Sie saß noch immer an ihrem Platz. Ihre Hände umfassten die Kugel, als wäre sie etwas ungemein Wertvolles, das auf keinen Fall zerstört werden durfte. Ihr Blick war dabei starr auf den runden Gegenstand gerichtet.
Isabel Kessler fiel es schwer, ruhig zu bleiben. Sie saß bewegungslos auf dem Stuhl und spürte ihre innere Anspannung. Zahlreiche Fragen schwirrten durch ihren Kopf, ohne dass es ihr gelang, eine davon festzuhalten.
Außerdem wollte sie Paula nicht stören. Was sie tat, war sehr wichtig für Isabel, die zugleich zwischen Hoffen und Bangen hin- und hergerissen war.
Sie wusste selbst nicht so recht, ob sie den Kontakt wirklich wollte. Auf der einen Seite schon. Auf der anderen war sie skeptisch und spürte Furcht in sich aufsteigen. Es war die Angst vor der Zukunft.
Wie würde sie sich verhalten, wenn Paula es tatsächlich schaffte, Kontakt zu Julius herzustellen?
Sie dachte wieder an die letzte Nacht, als Julius sie besucht hatte. Es kam ihr noch immer wie ein Wunder vor.
Und dann hatten sie getanzt. Es war so wunderbar gewesen. Und es war auch kein normaler Tanz gewesen. Eher ein Schweben, ein Gleiten, als hätten sie dabei den Kontakt mit dem Boden verloren, so wie es im Theater der Fall gewesen war.
Julius war gestorben. Urplötzlich. Mitten in der Aufführung. Und sie war
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