1603 - Der Geistertänzer
hing eine alte Uhr, deren Ticken sensiblen Menschen auf die Nerven gehen konnte.
Mrs. Milton kehrte mit dem Schlüssel zurück. »Hier habe ich ihn. Ich denke, ich gehe mal vor.«
»Bitte.« Ich lächelte ihr zu, bekam allerdings kein Lächeln zurück. Nun ja, wir waren eben keine Schauspieler, obwohl wir in diesem Moment eine gute Leistung vollbrachten.
Ich ging hinter Gwen Milton die Treppe hoch. Suko folgte mir auf dem Fuß. Es war kein weiter Weg, den wir zurücklegen mussten. In der ersten Etage war es noch enger als unten. In dem Flur konnten wir uns so gut wie nicht bewegen.
Vor einer Tür blieb die Frau stehen. Sie drückte die Klinke und musste feststellen, dass die Tür verschlossen war.
»Ha, dann hat sie doch abgeschlossen.« Sie schüttelte den Kopf. »Das tut sie nicht oft.«
»Dann schließen Sie mal auf«, bat ich.
»Ja, ja, einen Moment noch.« Sie schob den Schlüssel ins Schloss und hätte ihn umdrehen müssen, was sie aber nicht tat. Sie stand leicht gebückt vor der Tür und änderte ihre Haltung auch nicht.
»Was ist los, Mrs. Milton?«, fragte ich.
Sie schüttelte den Kopf. »Es ist schon komisch.«
»Was ist komisch?«
»Isabel ist doch weg.«
»Ja, das ist sie.«
»Aber jetzt habe ich was aus ihrem Zimmer gehört. Das klang beinahe wie Stimmen.«
»Sind Sie sicher?«
»Keine Ahnung.«
Ich schob sie von der Tür weg, wogegen sie auch nicht protestierte.
Dann legte ich mein Ohr gegen das Holz und hörte zunächst einmal nichts, sodass ich schon an einen Irrtum glaubte.
Bis ich etwas wahrnahm. Ob es sich dabei um Stimmen handelte, war nicht genau herauszufinden. Es war jedenfalls ein fremdes Geräusch, das bei mir für ein gewisses Misstrauen sorgte.
»Haben Sie es auch gehört, Mr. Sinclair?«
»Ja, Mrs. Milton, und es wäre besser, wenn Sie sich jetzt zurückziehen.«
»Aber…«
»Kein Aber, bitte.«
»Gut, wie Sie meinen.« Sie wich zurück und blieb vor der obersten Treppenstufe stehen. »Aber Sie haben die Stimmen auch gehört, nicht wahr?«
»Ich kann nicht bestätigen, dass es Stimmen waren. Mein Kollege und ich werden auf jeden Fall nachschauen.«
»Mein Gott, ist das spannend.«
Ich sagte nichts dazu. Das beunruhigende Gefühl wollte mich nicht loslassen. Aber ich musste etwas unternehmen und drehte den Schlüssel herum. Jetzt ließ sich die Tür öffnen.
Zuerst trat ich in den schmalen Flur. Dann folgte mir Suko, der auch versuchte, kein Geräusch zu verursachen. Beide traten wir in eine stille Wohnung hinein, denn von irgendwelchen Geräuschen oder auch Stimmen war nichts zu hören.
Dennoch fühlten wir uns nicht eben wohl. Das konnte daran liegen, dass wir fremdes Terrain betraten, aber wir waren auch in einen Fall hineingeraten, bei dem wir erst am Beginn standen.
Suko schloss die Tür wieder. Ich hatte inzwischen den Eingang zum Wohnzimmer entdeckt, das sehr klein, für eine Person jedoch gerade richtig war.
Hatte die Frau von hier die Stimmen gehört oder aus einem der anderen kleinen Räume?
Wir bekamen zunächst nichts zu hören und blieben in der Stille stehen.
Es geschah nichts. Dennoch war deutlich eine eigenartige Atmosphäre zu spüren, die sich hier ausgebreitet hatte.
Suko und ich schauten uns an. Keiner wusste eine vernünftige Erklärung. Ich glaubte nicht daran, dass sich Gwen Milton geirrt hatte. Hier lauerte etwas, auch wenn wir es nicht sahen.
Überhaupt hielten wir uns in einem normalen Zimmer auf, in dem nichts Verdächtiges auffiel. Die Bilder an den Wänden zeigten ebenfalls Szenen aus dem Theater. Nur waren es hier die Motive des Tanztheaters, und da war natürlich eine bestimmte Person immer wieder abgebildet.
Isabel Kessler.
Wir hatten sie bisher nicht gesehen. Jetzt wussten wir zumindest, wie sie aussah. Sie war eine recht große und schlanke Frau mit langen Haaren, die sie bei ihrer Arbeit allerdings hochgebunden hatte. Das Gesicht war schmal, etwas länglich, und sie wirkte auf diesen Fotos sehr durchtrainiert.
Aber nicht nur sie war vorhanden. Es gab Fotos, auf denen sie mit ihrem Partner zu sehen war. Als ich vor einer dieser Aufnahmen stand, da schoss mir das Blut ins Gesicht.
»Was hast du?«, fragte Suko.
»Das ist er!« Ich deutete auf das Bild.
»Wen meinst du? Julius Crane?«
»Ja, wen sonst? Und er sieht auf den Fotos so aus, wie ich ihn auf der Eisfläche erlebt habe.«
»Aber da war er ein Geist.«
»Genau das weiß ich eben nicht. Er sah nicht aus wie ein Geist. Mir kam er beinahe wie eine Mischung
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